Krieg in Afghanistan: Frank war mit der Bundeswehr dort

Es ist der bisher längste und blutigste Einsatz der Bundeswehr: Der Kampf um den Frieden in Afghanistan. Allein 59 deutsche Soldaten verloren in dem kriegszerstörten Land der selbsternannten „Gotteskrieger“ seit 2002 ihr Leben. Aktuell sind heute bis zu 1300 Deutsche Teil der internationalen Mission, die gerade um ein weiteres Jahr verlängert wird. Einer, der dort dabei war, kommt aus Rondorf. Im SÜDBLICK erzählt er seine ganz persönliche Geschichte.

„Ja, ich würde es nochmals tun, weil meine Motivation unverändert ist, einen aktiven Beitrag leisten zu können für mehr Frieden und Sicherheit in dieser bedrohten Region.“ Für den 51jährigen Oberstleutnant Frank aus Rondorf war sein sechsmonatiger Einsatz in Afghanistan nichts weniger als Teil einer Pflicht, die sich aus seinem Diensteid ergibt. Der gelernte Diplombauingenieur ist seit 1989 bei der Bundeswehr; er war Anfang der Zweitausender Jahre auch beim Kosovokonflikt im ehemaligen Jugoslawien vor Ort. Doch der „Krieg am Hindukusch“, das ist nochmals eine ganz andere Dimension. Fast die Hälfte der Bevölkerung in Afghanistan ist auf humanitäre Hilfe angewiesen; jedes zweite Kind ist stark unterernährt, sagt die Welthungerhilfe. Die Gewalt dauert an. Allein im Jahr 2020 wurden dort 3035 Zivilisten getötet. „Afghanistan gehört weiterhin zu den tödlichsten Gegenden in der Welt“, schreibt die UNO aktuell.

Weil er die erforderlichen Qualifikationen mitbrachte, hat sich Frank für die Nato-Mission „Resolute Support“ gemeldet. „Für mich war selbstverständlich, das zu tun, was auch von anderen verlangt wird. Mir ging es darum, in dieser Situation eine Vorbildfunktion wahrzunehmen. Ich weiß jetzt immerhin, wovon ich rede, wenn es um den Einsatz in Afghanistan geht“, erzählt der Familienvater im SÜDBLICK-Gespräch mit fester Stimme. Und doch: Auf dem achtstündigen Flug nach Masar-i-Scharif im Norden Afghanistans „hatte ich zumindest sehr viel Neugier im Gepäck“. Aber er gibt ebenso ehrlich zu: „Auch die Gefahrenlage hatte ich stets im Hinterkopf. Dies zu verdrängen wäre ganz falsch.“ Die Bilder seiner Ankunft hat er noch immer klar vor Augen: Da war vor allem die enorme Hitze. Und die Sicherheitsvorkehrungen waren überall sehr streng. Für seine vorrangige dienstliche Aufgabe, die Beratung der afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräfte, war er überwiegend per Helikopter unterwegs. Denn immerhin waren auch die dortigen Bundeswehreinheiten, teilweise mehr als 5000 Mann, wiederholt Ziel von Anschlägen durch Raketenangriffe oder Attacken aus dem Hinterhalt auf Patrouillen geworden.

Nachdem Frank aus Rondorf im Juli 2014 morgens um 7:00 Uhr im Feldlager im Norden Afghanistans landete, erfolgte sogleich die Übergabe der Dienstgeschäfte. Er erzählt: „Zunächst habe ich von dem Leben, der Kultur im Lande nur wenig mitbekommen, denn ich war sofort ausschließlich auf meine Aufgaben fokussiert.“ Und diese waren vor allem: Den afghanischen Kommandeur einer Ausbildungseinrichtung beraten, dessen Stab und Ausbildern beim Neuaufbau der einheimischen Armee zu helfen, Menschenführung zu vermitteln, konzeptionelle Fragen zu klären, vernetzte Strukturen zu fördern. Dafür begann Franks Tag jeden Morgen um 5:00 Uhr und endete selten vor 23:00 Uhr. „Es brauchte aber nur wenige Wochen, um das notwendige wechselseitige Vertrauen aufzubauen. Und schon bald habe ich auch sehr persönliche Einblicke in ein völlig anderes Leben bekommen. Dank der mich unterstützenden Sprachmittler kam ich hinsichtlich der Landessprache Paschtu und Dari gut voran. Darüber hinaus sprachen einige der afghanischen Offiziere hervorragendes Englisch, so dass ich viele Gespräche auch ohne Sprachmittler führen konnte. Insbesondere diese Vier-Augen-Gespräche führten zu besonderem gegenseitigem Vertrauen“, zieht der Familienvater rückblickend seine ganz persönliche Afghanistan-Bilanz.

Und was hat Frank selbst an Erfahrungen dazu gewonnen? „Ja, ich habe heute auf Vieles einen erweiterten Blick, weil man doch manches eher ungefiltert wahrnimmt und sehr hautnah erlebt.“ Und er gibt offen zu: „Von manchem, was ich erlebt habe, könnten wir in Deutschland und Europa uns eine Scheibe abschneiden. Wie pragmatisch die Menschen in Afghanistan oftmals mit Situationen umgehen, weil sie es müssen!“. Hat er in dieser ganzen langen Zeit auch so etwas wie Dankbarkeit gespürt? „Ach“, wehrt der Oberstleutnant ab, „das erwartet man gar nicht. Es genügt zu erkennen, dass die afghanischen Partner alle Anstrengungen unternehmen, ihre Streitkräfte für die Wahrnehmung ihrer Sicherheitsaufgaben zu befähigen!“

Ein halbes Jahr von Zuhause weit weg in einem höchst unsicheren Land, nur zehn Tage Urlaub zwischendurch: „Ja, das ist ein Preis, den die ganze Familie zahlt. Dass ich zum Beispiel bei der Einschulung meines Sohnes nicht dabei sein konnte, war schon hart.“ Aber täglich telefonieren, Videos mit Bildern von daheim austauschen, das immerhin ging. Auch die Feldpost hat funktioniert. Geholfen hat nicht zuletzt die Unterstützung aus Deutschland. „Viele hochrangige Persönlichkeiten informierten sich vor Ort. Die Verteidigungsministerin war während meiner Zeit sogar zweimal da, hat sich von uns alle Details erklären lassen!“ erzählt der 51jährige.

So wie er haben in den 20 Jahren Afghanistan-Mission seit Januar 2001 rund 160.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten in dem Land gearbeitet. Die Kosten belaufen sich hierfür nach Angaben des Verteidigungsministeriums auf insgesamt 12,35 Milliarden Euro. Hat sich dies alles gelohnt? Auf der Erfolgsseite steht: Das fundamentalistische Taliban-Regime, das Al-Kaida in Afghanistan Unterschlupf gewährt hatte, mit Osama bin Laden an der Spitze, wurde gestürzt. Die Terrorbedrohung von dort für die Welt scheint gebannt. Das Land selbst hat heute einen gewählten Präsidenten und ein gewähltes Parlament. Frauen dürfen arbeiten, Mädchen zur Schule gehen. Die Trümmerwüste Kabul verwandelt sich in eine moderne Stadt. 

Doch andererseits: Armut, Korruption und Machtgier prägen nach wie vor weite Teile des kriegsgeschundenen Landes. Zehntausende sind weiter auf der Flucht. Ein stabiler Friede, nach dem sich die Gesellschaft dort sehnt, zeichnet sich noch immer nicht ab. Dieses Ziel bleibt. Genau dafür würde Frank aus Rondorf es wieder tun.

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