Jazzmusiker Bruno Müller: Die Menschen sehnen sich nach Nahrung für die Seele
Goldfinger an der Gitarre – so hat sich Bruno Müller mit seinem ganz eigenen groove einen Spitzenplatz in der internationalen Pop- und Jazzszene erspielt. Der Rondorfer begleitet seit Jahren Weltstars auf der Bühne und im Studio. Wie kommt der 51jährige damit klar, dass Corona seine Branche nahezu stillgelegt hat? Dem SÜDBLICK gab er dazu sehr ehrliche Antworten.
SÜDBLICK: Sie waren mit dem Jazztrompeter Til Brönner zur Jahreswende noch auf Welttournee. Dann kam Corona und legte auch das Musikgeschäft lahm. Wie haben Sie selbst dies erlebt?
BRUNO MÜLLER: Ja, die Erinnerungen an diese tolle Weihnachtstournee, die uns bis nach Beijing, Shanghai und Tokio geführt hat, sind noch sehr präsent. Es war das Highlight des letzten Jahres mit fantastischen Kollegen. Die Tage im März vor dem ersten Lockdown habe ich in Baden-Baden verbracht. Dort findet regelmäßig seit 2008 ein dreitägiges Jazzfestival statt, bei dem ich schon seit vielen Jahren in der Festivalband mitwirke. Der erste Abend lief noch wie geplant, allerdings mit weniger Publikum als sonst; der zweite Abend, Freitag, der 13., durfte dann nicht mehr stattfinden. Aus Frust über dieses Verbot hat der Festivalchef ganz spontan ein Kamerateam organisiert und wir haben das Konzert als Livestream im Internet durchgeführt. Besser als gar nicht zu spielen, aber trotzdem war es auch eine komische Erfahrung. Auf der Bühne alles zu geben und dann nicht das direkte Feedback vom Publikum zu bekommen, ist für einen leidenschaftlichen Musiker keine schöne Situation.
SÜDBLICK: Was fehlt Ihnen derzeit am meisten?
BRUNO MÜLLER: Als Musiker fast alles. Das gemeinsame Musikmachen in Bands, die Proben, Auftritte und Tourneen. Besonders das Reisen fehlt mir. Zwar waren im Sommer einige Konzerte möglich und ich war nie ganz untätig. Mit einigen Projekten habe ich im Studio produziert. Zum Beispiel bin ich jetzt auf der „50 Jahre Bläck Fööss“- Jubiläums-CD mit einem Titel vertreten, weil ich, aus Corona bedingter Langeweile heraus, angefangen habe, kölsche Lieder in jazziger Art und Weise neu zu arrangieren. Durch einen Zufall haben die Fööss davon Wind bekommen und mich gefragt, ob ich nicht mit dem Song „En minger Bud“ auf der CD dabei sein wollte. Das hat mich riesig gefreut. Also mal ein Fall von positiver Corona-Auswirkung.
SÜDBLICK: Till Brönner sagt in einem YouTube Aufruf: „Wir in der Kulturbranche sind noch immer zu leise. Aber Kultur ist kein Luxus, sondern ein Menschenrecht.“ Was fordern Sie konkret inmitten der globalen Pandemie für die Musikszene?
BRUNO MÜLLER: Da hat Till natürlich vollkommen recht. Die Kultur und im speziellen die Musik hat ja schon vor Corona im Zuge der Digitalisierung – sie ist eben Fluch und Segen zugleich – mit der fast flächendeckenden kostenlosen Verfügbarkeit durch YouTube, Spotify und Co. immens an Wertschätzung bei vielen Menschen verloren. Nur noch wenige sind bereit, Musikangebote angemessen zu bezahlen. Livekonzerte bleiben deshalb für viele Künstler die einzige sichere Einnahmequelle. Wenn Konzerte dann aus Pandemiegründen nicht mehr möglich sind, sieht es ganz übel aus. Man kann nur hoffen, dass die Politik sich dessen bewusstwird und dementsprechend die Kulturbranche mit den nötigen Hilfen ausstattet. Das war bis jetzt alles viel zu halbherzig.
SÜDBLICK: Wie groß ist Ihre Sorge, dass in der Musik- und Kulturbranche vieles wegbricht?
BRUNO MÜLLER: Die Sorge ist relativ groß im Moment. Denn das entscheidende Problem ist, dass unserer Kulturbranche die große Lobby fehlt. Sparten wie Auto, Logistik, Banken haben mächtige Gewerkschaften und bekommen von der Politik vollste Aufmerksamkeit. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, dass unserer Gesellschaft schließlich bewusstwird, dass eine funktionierende Kulturlandschaft absolut überlebensnotwendig für sie ist. Wenn die Pandemie irgendwann vorüber sein wird, werden wir mit Sicherheit wieder voll an den Start gehen. Es ist nur sehr traurig, dass bis dahin viele, vor allem kleinere Kulturbetriebe dieser Situation zum Opfer gefallen sein werden.
SÜDBLICK: Wie überbrücken Sie selbst diese Zeit, in der es kaum Aufträge und Termine gibt?
BRUNO MÜLLER: Hier und da habe ich immer etwas zu tun. Glücklicherweise bin ich auch mit einem Lehrauftrag an der Musikhochschule Köln tätig. Da muss ich mich um meine talentierten Gitarrenstudenten kümmern. Aber natürlich habe ich als dreifacher Familienvater auch sonst nie Leerlauf. Die Pänz halten mich rund um die Uhr auf Trapp.
SÜDBLICK: Es geht auf Weihnachten zu. Können Sie sich die kommenden Wochen ohne Konzerte und Musikveranstaltungen vorstellen?
BRUNO MÜLLER: Ehrlich gesagt möchte ich das gar nicht, auch wenn es im schlimmsten Fall zwangsweise dazu kommt. Diese Wochen sind traditionell Hochsaison für viele Musiker. Die Menschen sehnen sich nach Nahrung für die Seele. Am Ende des Jahres sollte man zur Ruhe kommen, sich auf Wesentliches besinnen und Gefühle bewusst erleben und genießen. Dabei zu helfen ist auch unsere Aufgabe als Musiker. Wenn das nicht möglich ist, ist das sehr, sehr schade.
SÜDBLICK: Und welche Musik hören Sie ganz persönlich zu Weihnachten?
BRUNO MÜLLER: Da höre ich gerne mal Aufnahmen mit klassischer Gitarre. Wobei ich zur Weihnachtszeit vermehrt auch selbst klassische Stücke übe. Das ist technisch ein ganz anderes Instrument und man kann die klassische Gitarre mit der elektrischen Jazzgitarre gar nicht vergleichen. Das sind zwei Welten, auch wenn es hier und da mal Gemeinsamkeiten gibt. Für mich ist die Klassik ein schönes Hobby. Zum Fest höre ich dann aber auch sehr gerne Jazz- und Gospelmusik. Viele Jazzkünstler haben tolle Weihnachtsaufnahmen herausgebracht: Ella Fitzgerald, Oscar Peterson, The Singer Unlimited, Take 6 und auch Till Brönner, da habe ich übrigens selbst mitgewirkt.
Mehr über Bruno Müller: www.bruno-mueller-music.de
Sein Auftritt mit Kanzlerin Angela Merkel und dem damaligen amerikanischen Präsidenten Barak Obama https://www.youtube.com/watch?v=a4hfDsjItKU


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