Einer von uns: Stefan Schmitz

Wenn der Rondorfer Stararchitekt Stefan Schmitz ans Werk geht, ist jedes seiner Projekte zugleich eine Botschaft. Bauen heißt für ihn, das Wohl zukünftiger Generationen in den Blick zu nehmen. Egal, ob er in seinem heimischen Veedel mit dem Projekt „My George“ gerade neue Wohnformen realisiert oder in der fernen Mongolei am ambitionierten Bau einer völlig neuen Idealstadt arbeitet. Demnächst präsentiert der international gefragte Planer seine Mission auch in einem Buch: „Stadt der Zukunft“, eine Mischung aus Mahnung und Vision. Im SÜDBLICK-Gespräch macht der renommierte Bauexperte auch unumwunden deutlich, dass er sich für das Großprojekt Rondorf Nordwest manches durchaus besser wünscht.

Die Zukunft wohnt gleich um die Ecke. Zugegeben, es ist erst einmal eine Baustelle. Direkt neben der unübersehbaren St. Georges School an der Kapellenstraße sind die Baufahrzeuge seit einigen Wochen heftig dabei, ein schickes „Life-Balance-Quartier“ hochzuziehen. Insgesamt zwölf „lebenslustige, familiäre Architektenhäuser mit abgestimmter Gestaltung, offen für neue Ideen und Gespür für die Zukunft“ verspricht der Prospekt. Es ist die jüngste Visitenkarte von Stefan Schmitz. Und der freut sich, dass die Nachfrage groß ist, obwohl die Häuser, die ab Ende 2021 bezogen werden sollen, nicht ganz billig sind. „Alles Rondorf-typische, hochwertige Backstein-Architektur“, betont der Chefplaner, das ist ihm wichtig. Denn Stefan Schmitz liebt unverkennbar sein Veedel, in dem der gebürtige Frankfurter seit 1997 zuhause ist. Und dessen bauliche Entwicklung er seitdem mit offenen, durchaus kritischen Augen verfolgt. 

Was also könnte besser werden? Was fehlt?  Da hat er gleich mehrere Vorschläge. Zum einen: „Rondorf ist ein Straßendorf. Aber die Rondorfer Hauptstraße ist als „Ortskern“ mit ihren Einzelhandels- und Gastronomie-Angeboten wegen des hohen Verkehrsaufkommens für Fußgänger und Radfahrer leider wenig attraktiv. Die mit dem Neubaugebiet Rondorf-Nordwest geplante Umgehungsstraße im Süden wird den Ortskern entlasten. Dadurch entsteht die Chance seiner Aufwertung für Fußgänger, Radfahrer und Einzelhandel, die sinnvoll genutzt werden könnte, wenn auch die durch das Neubaugebiet entstehenden zusätzlichen Bedarfe für Einzelhandel und Gastronomie hier ihren Platz finden könnten. In den bestehenden Planungen ist dies leider nicht der Fall“, zieht er eine durchaus kritische Zwischenbilanz der derzeitigen Überlegungen.

Zum anderen hält er fest: „Rondorf ist auch eine Schlafstadt. Als Folge des Stadtwachstums der letzten Jahrzehnte wuchsen die Wohngebiete um die stadtnahen Dörfer, weil die City aufgrund hoher Mieten und wenig verfügbaren Flächen zu wenig Angebote für das Wohnen bereitstellen konnte. So entstanden in Rondorf ausgedehnte Wohngebiete, die jedoch wegen ihrer Monostruktur wenig städtisches Leben zu bieten haben. Mit dem Neubaugebiet entsteht nun die Chance, eine funktionale Mischung in Rondorf einzuleiten, also auch Orte für Arbeit im Dienstleistungs- und Gewerbe-Sektor zu schaffen. Es gilt, eine Entwicklung anzustoßen die die Bürgerwerkstatt Rondorf mit der Überschrift „Von der Schlafstadt zum Veedel“ tituliert hat.“

Diese Chance sieht Stefan Schmitz bislang vertan, „obwohl bei den kommunalen Stadtplanern die Botschaft angekommen sein müsste, dass ein funktional und sozial gemischtes Stadtviertel für die Stadt der Zukunft steht. Im Falle Rondorf Nordwest gibt der Investor Amelis den Ton an, wenn es darum geht, die Nutzungen in der Bauleitplanung festzulegen. Hier zieht das Argument einer „bedarfsgerechten Planung“, mit anderen Worten, nur das zählt, was der Markt im Augenblick verlangt. Das Ziel einer Transformation des Stadtteils Rondorf in ein „lebendiges Veedel“ bleibt damit auf der Strecke.“

Einmal in Fahrt, gibt er auch dies noch zu Protokoll: „Auch hinsichtlich der Verteilung der durch das Neubaugebiet neu hinzukommenden kommerziellen Nutzungen in Erdgeschosslage verpasst die aktuelle Planung eine sinnvolle Integration in das bestehende Rondorf. Die neuen Flächen für Gastronomie und Einzelhandel sowie einen Vollversorger werden nicht an den Ortskern Rondorfer Hauptstraße angeschlossen, sondern im Neubaugebiet jenseits der Stadtbahntrasse angesiedelt. Hinzu kommt eine Abschottung des Neubaugebietes hinsichtlich der befahrbaren Straßenverbindungen, was den isolierten Zustand des dort entstehenden Quartiersplatzes weiter verstärkt.“ Und dann folgt der Appell: „Das Neubauprojekt eröffnet ein großes Potential zur Aufwertung des bestehenden Stadtteils, das jedoch von den derzeitigen Planungsträgern nicht genutzt wird. Die aktuelle Planung entspricht in keinerlei Hinsicht den Kriterien einer modernen und nachhaltigen Stadtentwicklung. Hier ist dringend ein Umschwung notwendig.“

Früh hat Stefan Schmitz mit vielen Mitstreitern seine Ideen in die Bürgerwerkstatt der Dorfgemeinschaft eingebracht. Und ist umso mehr irritiert, dass die von den Experten dort entwickelten Konzepte für das Großbauprojekt insgesamt zu wenig Beachtung finden. Deshalb mahnt er auch: „Wenn dies ein urbanes Vorzeigeprojet werden soll, darf der zeitliche Druck eines Baubeginns nicht dazu führen, dass mangels Dialog mit den Bürgern vor Ort vorschnell Fakten geschaffen werden, die irreversible Fehlentwicklungen nach sich ziehen können.“ Deshalb lautet seine konkrete Forderung: „Bei Vorhaben der Größenordnung wie in Rondorf muss es Gestaltungswettbewerbe geben, so dass eine unabhängige Jury die besten Ideen auswählen kann.“

Ja, für den erfahrenen Stadtplaner war schon die Entstehung des Großbauprojektes fehlerhaft: „Es war falsch, dass am Anfang keine öffentliche Ausschreibung für den Kauf des Grundstücks erfolgte, sondern das ganze Baugebiet direkt an ein Unternehmen verkauft wurde. Der städtebauliche Entwurf wurde nicht wie üblich über ein Wettbewerbsverfahren ermittelt, sondern über den damaligen Baudezernenten willkürlich an ein Planungsbüro vergeben.“ Eine Kritik, mit der er nicht alleinsteht. Und schon gar nicht mit der weiteren Feststellung: „Leider gibt die vorliegende Planung baurechtlich fast nur „Allgemeines Wohngebiet“ vor, das dem Ziel der Schaffung eines lebendigen Veedels nicht gerecht wird.“ Schon von jeher lautet die grundsätzliche Überzeugung des 65jährigen: „Wir brauchen eine polyzentrische Stadtentwicklung, bei der die Stärkung der Stadtteile als autonome Städte in der Stadt im Mittelpunkt steht.“

Stefan Schmitz ist ein Mann, der weiß, wovon er spricht. Nach erfolgreicher Mitarbeit in Architekturbüros u.a. in Paris und Florenz gründete er 1990 sein eigenes Büro als Architekt und Stadtplaner in Köln. Bereits am Anfang seiner aktiven Berufslaufbahn wurde er neben Gottfried Böhm mit dem Rheinischen Kulturpreis und dem Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für junge Künstlerinnen und Künstler ausgezeichnet. Es folgten zahlreiche Wettbewerbserfolge. Mitbegründet hat er das Architekturforum Rheinland e.V. (AFR). Nach seinem ehrenamtlichen Engagement in Köln als Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten (BDA) und Vorsitzender des Gestaltungsbeirats der Stadt Köln wurde er 2008 zum Wirtschaftsbotschafter der Stadt Köln ernannt.

Und was ist sein Hauptantrieb für seine Leidenschaft? „Die Herausforderung besteht bei jedem Projekt darin: Es braucht einen Spürsinn, um Architektur zu entwerfen. Es braucht einen tragenden Gedanken am Anfang. Nur dann entsteht ein Ganzes, eine Architektur, die einzigartig ist.“ Seine Überzeugung lautet: „Architektur ist schön, wenn alles stimmt und im Einklang steht.“ Dieser Satz ist so etwas wie das Leitmotto für das umfangreiche Schaffen des engagierten Rondorfer. 

Und nach dieser Devise hat er bisher über dreihundert Architektur- und Städtebauprojekte im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit mit seinem Büro entworfen, wenn auch nur zum kleineren Teil gebaut. Auch Köln hat er mit zahlreichen Projekten inspiriert. So den Wiener Platz mit der Galerie Wiener Platz in Köln-Mülheim oder die Neugestaltung Severinstraße. Doch die Welt des Stefan Schmitz ist groß. Mitten in der Mongolei entwickelt er seit 2012 sein bisher größtes Projekt „Maidar City“: In der Nähe der völlig überlasteten mongolischen Hauptstadt Ulan Bator will er eine neue Vorzeigestadt für 300.000 Menschen schaffen. Inzwischen ist die Planung so weit, dass die Investorensuche beginnen konnte. 

Die Idealstadt folgt strengsten ökologischen Standards. Hierfür wurde er 2016 mit „Platin“, dem höchsten Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen  ausgezeichnet. „Mir geht es um die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen durch Einsatz erneuerbarer Energien und optimale Wirtschaftlichkeit über die gesamte Lebensdauer des Gebauten hinweg“, betont er im SÜDBLICK-Gespräch. Seine Vision für „Maidar City“ geht jedoch weit über die ökologische Nachhaltigkeit hinaus. Deshalb soll die Stadt der Zukunft nicht aus einem Zentrum bestehen, sondern aus vielen gleichberechtigten Stadtteilen, die sowohl Arbeitsplätze als auch Wohnraum, Kulturangebote und öffentliche Dienstleistungen bieten. So sollen lebenswerte Viertel für alle entstehen und keine Luxus-Gebiete nur für Wohlhabende. „Nachhaltig ist nur das, was sozial und funktional gemischt ist“, sagt Stefan Schmitz dazu.

Es ist nicht das erste und einzige Projekt des Kölners in Fernost. Deshalb wurde er 2009 zum Sprecher der Initiative EcoCity+ für nachhaltige Stadtentwicklung in China und 2010 zum Gastprofessor in Xuzhou (China) berufen. 2018 folgte die Ernennung zum Honorarkonsul der Mongolei (NRW) und die Berufung in den Beirat der Deutsch-Mongolischen Gesellschaft. 

Auch wenn der Kölner mit seiner Vision vom ökologischen Städtebau rund um den Globus unterwegs ist, ist er doch fest in seiner Wahlheimat Köln verwurzelt. 23 Jahre wohnt er in Rondorf. Und kämpft unverdrossen weiter für eine engere Einbindung der Bürger in städtebauliche Planungsprozesse. In seinem Buch zur „Zukunft der Stadt“, an dem er momentan noch intensiv arbeitet, umreißt er seine Vision klar: „Wieviel einfacher wäre es, wenn die natürliche Expertise der Bürger vor Ort von vornherein in geregelter Form in den Planungs- und Entscheidungsprozess mit eingebracht werden könnte. Es gilt, dieses Potential zu nutzen, um auf schnellstem Weg einen allseits befriedeten Interessensausgleich zu erreichen und unnötige Auseinandersetzungen zu vermeiden.“ Rondorf Nordwest liefert ihm dafür viel konkretes Anschauungsmaterial. So lautet denn das Credo von Stefan Schmitz: „Wer das durchaus willkommene Neubaugebiet nicht als introvertierten, nur in sich funktionierenden Körper begreifen will, muss es eng mit dem bestehenden Stadtgefüge so verknüpfen, dass Rondorf als Ganzes gewinnt und bestehende Defizite mit Hilfe der neuen Entwicklung beseitigt werden können. Es gilt, die bestehenden Potentiale des Ortskerns und die der Neubebauung so zusammen zu führen, dass Synergieeffekte entstehen, die den Ortskern und damit den Stadtteil Rondorf als Ganzes aufwerten.“ 

Ob dies gelingt? Die Frage bleibt offen. Aber wem wirklich an einem lebenswerten Veedel liegt, der darf schon jetzt gespannt sein auf das Buch des Stararchitekten aus Rondorf.

1 Antwort
  1. Marlene Schneberger
    Marlene Schneberger sagte:

    Ja, der Verkauf der städtischen Grundstücke an Amelis ist mehr als merkwürdiig. Das bei dieser Vertragsgestaltung zwingend geltende EU-Vergabeverfahren wurde ebenso wenig eingehalten wie das für diesen Grundstücksverkauf geltende Wettbewerbsverfahren nach RPW 2013. Eine Anfrage bei dem Amt für Liegenschaften, Herrn Battermann, brachte keine Klarheit. Für die Vertragsparteien war die Verwirklichung von Rondof Nord-West anscheinend so wichtig, dass sie sich über alle Vorschriften hinwegsetzten, trotz der Erfahrungen mit dem Messebau.

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