EINER VON UNS: Peter Göckeritz
Er ist ein Urgestein des Kölschen Fastelovend: Immer, wenn am 11.11. um 11:11 Uhr die Willy Ostermann-Gesellschaft stimmungsvoll die neue Session mit tausenden Jecken mitten auf dem Heumarkt offiziell eröffnete, dann war Peter Göckeritz, der langjährige Senatspräsident, oben auf der Bühne mittendrin. Seit 20 Jahren war das so. Doch jetzt fällt das traditionelle Narrentreiben erstmals seit 50 Jahren aus. Wegen Corona. Und der Schunkelprofi aus Hochkirchen rät: „Bleiben Sie am besten zuhause. Ladet die Familie ein und summt vor dem Fernseher die alten und neuen Karnevalsschlager mit!“
Jedes Jahr im Winter geht es wieder los …. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Seit 1969 hat es sich die traditionsreiche Willy-Ostermann-Gesellschaft zur ehrenvollen Aufgabe gemacht, am 11. November pünktlich um 11:11 Uhr den Start in die fünfte Jahreszeit mitten in der Altstadt zu organisieren. Live im Fernsehen feierte hier das neue, aber erst designierte Kölner Dreigestirn, flankiert vom Stadtoberhaupt und dem Festkomitee Kölner Karneval, stets seinen ersten großen Auftritt. „Wenn man dann da oben auf der Bühne steht, sieht die bunte Menge und zählt von 10, 9, 8 runter bis zum Startschuss, dann ist das ein Gefühl, das man gar nicht beschreiben kann“, erzählt Peter Göckeritz von seinen glücklichsten Momenten.
Letztes Jahr strömten 25.000 Jecke zu den Ostermännern, die ersten standen schon um sieben Uhr vor der großen Bühne. Dann kamen immer mehr, bis der beliebte Heumarkt am Vormittag wegen Überfüllung geschlossen werden musste. Acht Stunden lang sorgten nahezu alle musikalischen Größen der Stadt, mehr als 40 Künstler und Bands, für jecke Töne in voller Lautstärke. Alaaf, Schunkeln, Singen, Bützchen: Niemand kennt diese einmalige Stimmung besser als Peter Göckeritz. Denn mehrere Jahre war er als Geschäftsführer und bis dieses Jahr auch als Senatspräsident der Willy-Ostermann-Gesellschaft mitverantwortlich für diesen ersten großen Sessionshöhepunkt.
Und wie traurig schaut er diesmal diesem Tag entgegen, da Corona die Veranstalter dazu zwingt, den Feierfreudigen zuzurufen: „Wer Karneval liebt, sollte in diesem Jahr am 11 im 11 zu Hause bleiben!“ Der Hochkirchener ist Realist. Feiern bei steigenden Corona-Fallzahlen? Das geht aus seiner Sicht gar nicht. Deshalb gilt an diesem Tag: Keine Zuschauer, kein Karnevalstourismus. Stattdessen heißt im Corona Jahr 2020 die traurige, aber klare Botschaft: Nach Köln müsst ihr gar nicht erst kommen, da läuft an diesem Tag nix. Dennoch wehrt er aufkommende Frustgefühle deutlich ab: „Ich glaube nicht, dass der Straßenkarneval jetzt stirbt, weil er einmal ausfällt. Das alles ist zwar nicht schön, aber die Welt bricht deswegen nicht zusammen!“ Statt der großen Party in der Innenstadt wird es am 11. November eine TV-Live-Sendung aus der Wagenbauhalle des Festkomitees geben. Der Fastelovend-Profi begrüßt diese Idee: „Das ist meines Erachtens das einzige, was man jetzt machen kann, um überhaupt etwas karnevalistische Luft zu schnuppern. Das muss dann eben für dieses Jahr genügen.“ Und für die Skeptiker schiebt er dann noch nach: „Die Idee, so den Karneval in die gute Stube zu bringen, ist super!“
Eines jedenfalls steht für Peter Göckeritz, Corona hin oder her, fest: Er will sich auch in den kommenden Monaten trotzdem den Spaß an der Freud nicht verderben lassen. Als er 60 Jahre wurde, hängte der gebürtige Thüringer seinen Job als Zentraleinkäufer im Lebensmittelhandel aus freien Stücken an den Nagel; endlich hatte er Zeit für seine närrische Passion. Seit 2006 ist der gelernte Kaufmann nunmehr in der Willy-Ostermann-Gesellschaft aktiv: „Denn für mich ist dieser Künstler, derjenige den ich am meisten mit Karneval und gleichzeitig mit dem Brauchtum verbinde. Er weckt in mir ganz besonders das Gefühl der Kölner Leichtigkeit“.
Immerhin: In fast dreißig Jahren schrieb Ostermann mehr als 100 Titel; viele davon wurden richtige Evergreens, die heute noch auch über die Grenzen Kölns hinaus bekannt sind. Sein „Heimweh nach Köln“ wurde zur „Hymne“ der Willi-Ostermann-Gesellschaft. „Das ist auch mein Lieblingslied. Und wenn dies regelmäßig am Ende aller unserer Veranstaltungen gesungen wird, dann haben viele Tränen in den Augen“, bekennt Peter Göckeritz freimütig.
Deswegen engagiert er sich ganz besonders dafür, das Liedgut dieses Heimatdichters, Sängers, Texters und Komponisten auch bei den jungen Karnevalisten wach zu halten. Dies begründet er so: „Sein Optimismus, der gerade durch die kölsche Sproch geprägt wird, hat den Menschen immer wieder Aufschwung gegeben und tut es auch heute noch.“ So entstand die Idee für den „Ostermann Liedpreis“. Er erzählt: „Das war mein Ding, mein größtes Projekt. Wir haben alle weiterführenden Kölner Schulen besucht und versucht, die verantwortliche Lehrerschaft zu begeistern, die alten Evergreens mit neuer Interpretation und eigener Kreativität zusammen mit ihren Schülerinnen und Schülern wieder auf die Bühne zu bringen.“ 84 weiterführende Schulen sowie Karnevalsgruppen beteiligten sich letztes Jahr an der Ausschreibung. Das Projekt wurde ein Erfolg. Selbst der Kölner Rapper Mo-Torres unterstützt es, ebenso wie das Kölner Festkomitee.
Peter Göckeritz kann viel erzählen über die großen und kleinen Geschehnisse rund um das jecke Kölner Volksfest, das er aus nächster Nähe miterlebt hat. Nicht zuletzt auch als Mitglied im Elferrat seiner Gesellschaft. Und was war sein schönstes Erlebnis? „Vielleicht, als ich erstmals am Rosenmontag auf dem Gesellschaftswagen mitfahren durfte.“ Doch dann korrigiert er sich mit einem verschmitztem Lachen: „Noch schöner war es im Elferrat, als mir unerwartet ein echtes Funkemariechen „zum bütze“ hochgereicht wurde.“ Mehr als 200 Orden bewahrt er heute in seinem schmucken Hochkirchener Eigenheim auf, wo er seit 1978 zuhause ist. Und welche Ehrung ist die wichtigste davon? Er zeigt auf den Wohnzimmertisch. Da steht die silbrig glänzende Willy-Ostermann-Statuette, die er als erster bekommen hat in Anerkennung seiner Verdienste um die ehrenwerte Frackgesellschaft mit ihren 220 Mitgliedern. „Der Senat ist das Herzblut der Gesellschaft. Er muss die positiven Impulse schaffen!“, beschreibt er sein weit gestecktes Aufgabenprofil als langjähriger Senatspräsident.
Doch der Karnevalsaktivist ist niemand, der nur verklärt zurückblickt. Im Gegenteil: Der Fastelovend-Veteran verteidigt vehement die heutige, von manchen arg kritisierte Karnevals-Szene: „Wenn manche sagen, früher war der Karneval schöner, ist das Quatsch. So viel hat sich irgendwie gar nicht verändert. Es liegt viel eher im Auge des Betrachters und Alters, wie ich Karneval wahrnehme und feiere. Alles hat seine Zeit!“ Das ist seine Devise. Oder auch: „Die Gedanken sind frei!“ Was er sich für die Zukunft wünscht? „Unser Karneval lebt vor allem aus dem Leben im Veedel. Das müssen wir pflegen. Und die Schulen, die mitmachen, sind wichtig!“ Aber er hat auch eine große Sorge: „Wenn es immer weniger Kneipen gibt und kaum noch geeignete Veranstaltungssäle für unsere Vereine, dann wird das mit dem Gemeinschaftserlebnis Karneval schwierig!“
Dennoch denkt Peter Göckeritz nicht ans Aufhören: „Ich bleibe in der Willy-Ostermann-Gesellschaft aktiv bis zu meinem Ende“, lautet sein Treuebekenntnis. Und wenn er dennoch mal Abwechslung braucht, dann bleibt ihm ja der Golfsport. Darauf ein dreifaches „Ostermann Alaaf!“.
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