Eine von uns: Eva-Marie Blumschein

Sie ist Harfenistin aus Leidenschaft. Eva-Marie Blumschein beherrscht meisterhaft ein ganz besonderes Instrument, das bereits seit mehr als 5000 Jahren gespielt wird. Selbst am eleganten französischen Hof war es üblich, so die Saiten zu zupfen. Warum die Harfe auch in Zukunft konkurrenzlos ist, hat die Rondorfer Künstlerin, die von Anfang an zum Team der Musikschule Papageno gehört, dem SÜDBLICK in einem ganz privaten Einführungskurs erzählt.

Sie ist eine Frühberufene. Bereits als Schülerin am Gymnasium Rodenkirchen war sie Jungstudentin an der Kölner Musikhochschule, an der sie nach dem Abitur auch studierte. „Ich habe bereits als sechsjährige an einem Tag der offenen Tür einer Musikschule die Harfe kennenlernen dürfen. Der besondere Klang und die wunderschöne Erscheinung haben mich sofort begeistert und fasziniert.“ So erinnert sich Eva-Marie Blumschein an ihre erste Begegnung mit einem der ältesten Musikinstrumente der Welt, das bereits im frühen Ägypten gespielt wurde und schon in der Bibel hohen Stellenwert unter König David besaß. 

Die vielleicht etwas kapriziöse Rarität hat seither nichts von ihrer Faszination verloren. Jedenfalls nicht für die passionierte Harfenistin aus Rondorf. „Die Harfe wird die Menschen mit ihrem Klang immer berühren und ihre Wirkung nie verfehlen. Ich bin davon überzeugt, dass Schwingungen und Resonanz die Gesellschaft ganz grundsätzlich positiv stärken“, erzählt sie voller Überzeugung. Und was macht dieses Instrument so einmalig? „Der Klang ihrer Saiten ist sehr direkt und ohne Umwege spürbar und hörbar. Die Vibrationen gehen von der Saite über den Klangkörper auf den Zuhörer über und berühren ihn direkt“, erläutert die Meisterzupferin dem SÜDBLICK den magischen Effekt ihres Instruments.

Die Harfe hat in ihren Augen alle Möglichkeiten, die ein Musiker braucht: Man kann mit ihr im Orchester spielen, kleinere kammermusikalische Ensembles bereichern, oder einen Solisten bei Geige, Cello, Flöte, Gesang, Chor, Oboe … begleiten. Und natürlich kann die Harfe auch als Soloinstrument erklingen. „Auch Jazz ist auf der Harfe möglich. Prinzipiell kann eine Harfe alles das, was ein Klavier auch kann… nur kann man auf der Harfe selten etwas ‚vom Blatt‘ spielen, weil die Harfe keine ‚schwarzen Tasten‘ hat — dafür haben wir auf der Konzertharfe die Pedale, mit denen ich die Stimmung der Saiten um einen Halbton verringern oder erhöhen kann. Ich brauche also nicht nur meine Hände, um Harfe zu spielen, sondern gleichzeitig auch die Füße, sonst geht es nicht. Die Konzertharfe hat nicht nur 47 Saiten, sondern auch 7 Pedale mit jeweils 3 Einstellungsmöglichkeiten! Das wissen nur die wenigsten, und die Leute sind immer ganz überrascht, wenn ich ihnen das erkläre“, erläutert sie lachend.

Eva-Marie Blumschein selbst hat zunächst auf einer kleineren irischen Hakenharfe mit Klappen zum Verstellen von Halbtonschritten begonnen und ist dann über eine Einfachpedalharfe zur Konzertharfe gekommen. „Dies ist für mich das Instrument, auf dem ich mich am wohlsten fühle, und das die größte Flexibilität bietet“, sagt die Tonkünstlerin mit Begeisterung und Überzeugung.

Heute ist sie eine viel gefragte Musikerin und hat schon so manches ungewöhnliche Event erlebt. Sie denkt da zum Beispiel an die Gamescom: Da gab es einen Auftritt mit der Computermusik zu einem sehr berühmten Spiel, „bei dem die Fans völlig ausgeflippt sind — auch sehr ungewöhnlich für uns Klassiker“, lacht die 44-jährige. Auch in der Köln Arena hat sie schon gespielt — mit Übertragung auf die Leinwand beim Harfeneinsatz. „Das ist nun eher ungewöhnlich“, erinnert sie sich schmunzelnd. 

Dennoch schätzt Eva-Marie Blumschein nicht zuletzt die kleinen eher privaten Konzerte, bei denen besondere Begegnungen, Erlebnisse oder gemeinsames Musizieren stattfinden. Und sie begleitet Menschen mit ihrer Kunst sogar in sehr persönlichen Lebenslagen etwa bei der Hochzeit oder der Taufe, aber auch zu Beerdigung und Todestagen am Grab. In ihrem Terminkalender stehen — normalerweise — neben Orchester- oder Soloauftritten auch Jubiläen, Überraschungskonzerte oder Abschiede im Krankenhaus. „Und wenn Corona vorbei ist, gibt es ein Klappstuhlkonzert bei mir zuhause,“ verspricht sie dem SÜDBLICK. 

Doch die eigenen Auftritte sind nur der eine Teil ihres Wirkens. An der Hochschule für Musik und Tanz Köln hat sie einen Lehrauftrag für Harfe, Orchesterstellen und Fachdidaktik des Harfenunterrichts, der sie mit viel Freude erfüllt. Mit dem Neuen Rheinischen Kammerorchester spielt sie regelmäßig große Konzerte und auch andere Orchester fragen bei ihr regelmäßig an. Außerdem unterrichtet sie privat und an der Rochus Musikschule Köln Bickendorf. Diese verfolgt ein ähnliches Konzept wie die Musikschule Papageno, in der sie seit 20 Jahren als Dozentin mit Begeisterung engagiert ist. Diese Musikschule der Evangelischen Kirchengemeinde Rondorf ist ihr besonders ans Herz gewachsen. Sie hat das Projekt seit 1999 mit aufgebaut. Dass die Schule heute über Köln hinaus so einen exzellenten Ruf genießt, liegt nicht zuletzt an ihr sowie den weiteren rund zwei Dutzend Dozenten.

Bei Papageno unterrichtet die viel Gefragte Harfe und außerdem Elementare Musiklehre im evangelischen Kindergarten Rondorf. Das Konzept überzeugt sie: „Papageno bietet uns die Möglichkeit in schönen Räumlichkeiten der Emmanuel Gemeinde und mit einem hochprofessionellen Kollegium zu unterrichten. Die Musikschule holt die Kinder bereits im Kindergartenalter ab und begleitet die Schüler bis zum Abitur“, beschreibt sie die Leistungen dieses Rondorfer Musikjuwels. Für ihre Arbeit hier stehen zwei hochwertige Harfen zur Verfügung: Eine kleinere Hakenharfe und eine große Doppelpedalharfe. „Das ist keineswegs selbstverständlich, da ein großes Konzertinstrument sehr teuer ist. Das ermöglicht eine umfangreiche Ausbildung und Flexibilität, auf die Wünsche der Schüler professionell einzugehen“, erläutert die Musikpädagogin. Die Exklusivität des Instruments bedingt allerdings, dass es sich immer eher um einige Wenige, aber dafür immer selbst berufene Schüler handelt. Es komme eher selten vor, dass Eltern den Kindern vorschlagen, doch bitte Harfe zu lernen. Meist ist das andersherum. 

Die Musikschule Papageno bietet immer wieder die Möglichkeit von Auftritten im geschützten Raum und dem gemeinsamen Musizieren der Schüler unterschiedlicher Klassen untereinander bzw. miteinander. „Dieser Austausch ist sehr wichtig und unterscheidet sich von reinem Privatunterricht. Papageno legt Wert auf das, was landläufig klassische Ausbildung genannt wird. Aber ich verstehe darunter, den Schülern Fliegen beizubringen. Mit den besten Voraussetzungen von Beginn an und einer soliden Ausbildung habe ich hinterher alle Freiheiten, die ich brauche. Musik soll Spaß machen und keinen Druck erzeugen — das stimmt, aber so ganz ohne Fleiß und Einsatz klappt es auch nicht. Die Überwindung von Herausforderungen kann gerade auch in der Gemeinschaft unheimlich motivieren und fördern. Bei Computerspielen bleiben die Jugendlichen freiwillig stundenlang bei einer einzigen Problematik, nur um ins nächste Level zu kommen… das ist von technischen Herausforderungen am Instrument gar nicht so weit entfernt“, gibt Eva-Marie Blumschein einen anschaulichen Einblick in ihre Aktivitäten als Musiklehrerin.

Wenn jemand überlegt, Harfe zu lernen, was rät sie ihm? Sie erzählt aus ihrem Alltag: „Meine jüngste Schülerin, die anfing Harfe zu lernen, war 4 1/2 Jahre alt, meine älteste Anfängerin 78. Wenn die Harfe einen gepackt hat, sind alles andere Nebensächlichkeiten. Wir finden immer einen Weg. Großes oder kleines Instrument, gekauft oder geliehen, Spielen nach Gehör oder nach Noten, Noten lernen ist auch eine sehr logische Sache, die keinem Alter unterliegt und im learning by doing and playing-Prinzip ganz wunderbar ist! Bei ehrlichem Interesse kann ich nur raten, loszulegen und den Anfangsimpuls mitzunehmen! Der Schwung der Begeisterung genügt“, ist die Harfenistin aus Leidenschaft schon wieder beim Thema Schwingung.

Doch wie viel Übung und Training sind erforderlich bis man dieses besondere Instrument beherrscht? Ihre ehrliche Antwort: „Musik und Sport sind sich diesbezüglich sehr ähnlich. Regelmäßiges Training, ausreichende Kondition und mentale Stärke sind grundsätzliche Voraussetzungen, um auf einem professionellen Niveau zu musizieren. Die persönliche Weiterentwicklung endet nie, und es gibt immer wieder neue Ziele zu erreichen. Getreu dem Motto „nach dem Spiel ist vor dem Spiel“.

Aber braucht man für dieses Instrument nicht ganz besondere, auch körperliche Voraussetzungen? „Grundsätzlich ist es für Jedermann möglich, Harfe zu spielen und zu lernen“, meint sie, schränkt aber ein: „Dennoch ist es ein sehr komplexes Instrument, bei dem die Koordination von Auge-Hand-Fuß beidseitig unabhängig erfolgt. Die Fingerfertigkeit braucht auch eine gewisse Kraftanstrengung. Für eine Hobbyharfenistin ist die sicherlich nicht so wichtig, aber um in der Orchesterwelt bestehen zu können, braucht es Kraft, Ausdauer und Selbstbewusstsein, da man als Solistin agiert.“ 

Doch dann komm noch etwas sehr Spezielles dazu: Die Harfe ist ein buchstäblich schweres Instrument. Die Konzertharfe als größte Vertreterin ihrer Art ist mit 175 bis 190 Zentimeter Höhe und meist 34 bis 42 Kilogramm Gewicht immerhin eines der größten und schwersten Orchesterinstrumente. Ist das im Alltag nicht etwas unpraktisch und unhandlich? „Das stimmt, und die neuen Instrumente werden immer noch größer gebaut, um den Klang noch tragender und in größerer Lautstärke in den Raum zu bringen. Irische Harfen sind wesentlich kleiner und handlicher, werden aber im klassischen Orchester nicht eingesetzt. Immerhin ist es möglich, die Konzertharfe zu transportieren, mitzunehmen und an den außergewöhnlichsten Orten wieder aufzustellen. Außer dem Instrument und einem Stuhl zum Sitzen brauchen wir kein Equipment…. obwohl wir immer mit Stimmschlüssel und Ersatzsaiten reisen (47 Stück!) um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein“, weiß die Papageno-Dozentin.

Aber hat eines der ältesten Instrumente der Welt auch eine Zukunft? Da ist sich Eva-Marie Blumschein ganz sicher: „Die Harfe ist ganz ohne Frage ein zeitloses Instrument, das keinen Modeerscheinungen unterliegt. Die zeitgenössischen Komponisten experimentieren gerne mit den Klangfarben und Möglichkeiten der Harfe als Instrument.“ Auch wenn das Klavier die Harfe als Liebling der Hausmusiker abgelöst haben mag, so gibt die Rondorferin doch zu bedenken: „Auch die Queen hat ihre Hofharfenistin und in Tirol wundert sich niemand über die Rolle der Harfe bei der Stub’nmusik.“ Noch irgendwelche Fragen? 

Ach ja, eine noch: Bleibt in diesem Leben voller Musik überhaupt noch Zeit für etwas anderes? Doch auch da kann uns Eva-Marie Blumschein mit Vielseitigkeit überzeugen: Sie lebt mit ihrer Familie in einem Mehrgenerationen-Haushalt: Ihr Mann, drei Kinder, eine Oma, zwei Hunde und vier Hühner gehören dazu. Der Garten ist zum Glück groß. Als wir uns verabschieden, versichert uns die Künstlerin noch: „Da kommt keine Langeweile auf. Ich lese viel, buddle gern im Garten, koche mit Freunden und kümmere mich um die Angelegenheiten, die in eine Großfamilie täglich anfallen.“ Musik macht offenbar auch gelassen.

Kaum wieder auf der Straße, ertönt wenig später durch das Fenster der sphärische Klang einer Harfe. Nur Übung macht die Meisterin! Eva-Marie Blumschein freut sich, wenn sie hoffentlich bald wieder öffentlich auftreten darf, und der Lockdown auch in der Kultur ein Ende findet: „Denn wir brauchen diesen gemeinsamen Raum miteinander, durch Resonanzen in Schwingung gebracht zu werden.“ 

2 Kommentare
  1. Christian Collum
    Christian Collum sagte:

    Als Organist und Dirigent wohne ich einen Steinwurf von Frau Blumschein entfernt auch in der Strasse Am Höfchen, nur auf der anderen Strassenseite, ein klein wenig weiter unterhalb der Adresse, wo Frau Blumschein wohnt. Da wäre es ja schön, wenn zwei „Am Höfchen-Musiker“, die die ältesten Instrumente spielen, einmal zusammen in der Kirche, denn dort steht die Orgel,Töne erklingen lassen…?

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