Die Nacht, als die Flut nach Rondorf kam

Vor genau hundert Jahren passierte die Katastrophe: Die trüben braunen Massen des ungebändigten Rheinhochwassers brachen sich über die Bonner Landstraße unaufhaltsam ihren Weg nach Rondorf. Selbst ein eilig vor dem Dorf errichteter Notdamm konnte dem Druck nicht mehr Stand halten. Bis zur Kapellenstraße und „Am Höfchen“ stürzten sich die zerstörerischen Fluten. Das einschneidende Jahrhunderthochwasser hat den Ort verändert.

Es war Freitag, der 16. Januar 1920: Schon am Morgen zeigte der Pegel des Rheins in Köln gegen elf Uhr eine Rekordhöhe von 9,56 Metern. Durch die schmelzenden Schneemassen, Niederschläge und Wolkenbrüche am Oberrhein hatte das Hochwasser in Köln somit eine Höhe erreicht wie seit dem Jahre 1784 nicht mehr. Der Rhein schwappte nunmehr bedrohlich in das tiefer gelegene Gelände zwischen Rodenkirchen und Rondorf. Was dann passierte, hat der Rondorfer Lehrer Johann Hahn in seiner Schulchronik präzise festgehalten: „Des Nachts gegen elf Uhr stand das Wasser bereits an der Bonner Landstraße, ergoss sich im Lauf der Nacht über dieselbe hinweg und nahm seinen Weg auf Rondorf zu. Ein vor dem Dorf errichteter Notdamm aus Ackerwalzen, die mit Sand und Stallmist abgedeckt waren, vermochte den andrängenden Wassermassen nicht standzuhalten.“ Immerhin gelang es, den größten Teil der voran treibenden Flut in eine große Sandgrube vor dem Dorf abzuleiten. Die verzweifelten Bewohner gewannen so zunächst Zeit, den Damm an der heutigen Straße „Am Höfchen“ zu erhöhen. Doch gegen Mittag war das Rheinwasser bereits an dem Schutzwall angelangt, es stieg dort von Stunde zu Stunde. Die Bewohner des unteren Dorfes trieben in größter Hektik ihr Vieh in den höheren Lagen des Orts zusammen; eilig bemühten sie sich, wichtige Sachen in Sicherheit zu bringen.

Doch dies gelang nur teilweise, wie Augenzeugen später notierten: In vielen Häusern roch es penetrant nach Essig, weil die Einwecktöpfe mit Gurken und Kraut aus den überfluteten Kellern geholt werden mussten. Land unter: Die gesamte Gemeindefläche östlich des Rodenkirchener Weges vom Dorfeingang bis zur Bonner Straße bildete einen einzigen großen übel riechenden See. Die Lage spitzte sich weiter dramatisch zu, als der Schutzwall von mehreren Familien, die vor dem Wall im Bereich des Hochwassers wohnten, durchbrochen wurde mit dem Ziel, den enormen Druck herauszunehmen. 

Glück im Unglück: In der gleichen Nacht begann der Wasserspiegel allmählich wieder zu sinken. Das Schlimmste war hier überstanden, während an anderen Rheinorten wie Duisburg zweimal innerhalb von 17 Tagen die zwölf-Meter-Marke geknackt wurde. Immerhin: Die damals kaum mehr als tausend Rondorfer zogen aus der Flut Konsequenzen. Waren bisher die meisten Häuser ohne Bad und Toilette aus einfachem Material gebaut, so entstanden jetzt mehr und mehr festere Ziegelhäuser. Auch die wenigen Straßen wurden nach und nach mit Basaltschotter befestigt. Und als der Rhein 1926 in Köln sogar einen Pegelstand von 10,69 Meter meldete, blieb Rondorf verschont. Das Hochwasser kehrte nie mehr mitten in den alten Ort zurück. 

Fotos: Oswald Weiler – Heimatgeschichte der Orte Rondorf Hochkirchen Höningen

Titelfoto: Blick in die Rodenkirchener Str. Vorne rechts das Haus von Frl. Margarethe Badorf, Hauser. 153. Foto im Artikel: Das einstöckige Fachwerkhaus ist das Haus Nr. 1 Am Höfchen. Das zweistöckige Fachwerkhaus dahinter wurde in den sechziger Jahren abgerissen.

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