Eine von uns: Christa Gustson, Palliativ Krankenschwester

Sie möchte da sein, zuhören, gemeinsam das Schwere aushalten, miteinander weinen, aber auch zusammen lachen. Und sich mit Respekt an jene erinnern, die sie als ihre Gäste bezeichnet. Christa Gustson ist Palliativ Krankenschwester im Hospiz St. Hedwig. In diesem Rondorfer Vorzeigeprojekt können Menschen in Würde Abschied vom Leben nehmen. Der SÜDBLICK hat sie an ihrem Arbeitsplatz besucht.

Auf dem schlicht gestalteten „Gedenktisch“ im Foyer ist eine Kerze entzündet. Daneben liegen Steine mit kurzer Inschrift, die an die hier Verstorbenen erinnern. Ein letztes Mal läutet der Gong in dem hellen freundlichen Eingangsbereich zum Abschied. Dann öffnet sich die Eingangstür nach draußen:  Einer der eben verstorbenen Gäste wird auf seinem letzten Weg hinausgetragen. Der Wagen des Beerdigungsinstitutes wartet bereits diskret. Es ist ein leises Abschiednehmen. Der Kampf zwischen Leben und Tod ist entschieden. Mehr als tausend Gäste hat Frau Gustson in den letzten Jahren begleitet. Denn die ausgebildete Palliativ Krankenschwester ist Mitarbeiterin der ersten Stunde im Hospiz, das unheilbar Kranke in der allerletzten Lebensphase aufnimmt. 

„Diese oft nur noch wenigen Tage oder Wochen begleiten und gestalten zu können, mit individueller Zuwendung, ganzheitlich von der medizinischen und pflegerischen Versorgung bis hin zum seelischen und persönlichen Beistand, diese Aufgabe wollen wir hier verwirklichen“, erzählt die 57jährige bei einem Rundgang. Die zwölf großzügigen Zimmer der Gäste haben alle Balkon oder Terrasse, jeder kann sich hier mit persönlichen Dingen einrichten. Angehörige dürfen sich mit einem Zustellbett dort ebenfalls auf Wunsch aufhalten. 

Denn das Hospiz legt größten Wert auf eine persönliche Atmosphäre mit Wärme und Geborgenheit. Egal, ob im Wohnzimmer mit dem Kamin oder in der offenen Küche mit den individuellen Speisen. „Sich Zeit nehmen, zuhören, manchmal nur das Nötigste sprechen und dann wieder über alles zu reden, insbesondere das, was belastet. Aber ebenso, sich miteinander freuen zu können, selbst wenn es nur Kleinigkeiten oder Erinnerungen sind. Und dann wieder zu schweigen und nur still dabei zu sitzen, vielleicht nur eine kurze Berührung, das ist mir wichtig“, erläutert Christa Gustson. Und fügt hinzu: „Vielleicht ist das Stillsitzen und das Nichtstun die größte Herausforderung bei einer Begleitung.“ Mit Demut will sie ihren Gästen helfen, durch die letzten Tage zu gehen und dem Versuch, nichts zu werten. Auch das sieht sie als Herausforderung in diesem besonderen Arbeitsfeld.

Im Oktober 2005 wurde das Hospiz St. Hedwig als Gemeinschaftsprojekt der Alexianer-Brüder und der Cellitinnen zur Heiligen Elisabeth eröffnet. Diese beiden Ordensgemeinschaften haben es sich schon im Mittelalter zur Aufgabe gemacht, sich um Schwerstkranke zu kümmern. „Als ich erstmals von den Plänen für Rondorf hörte, bin ich voller Neugier zur Baustelle gefahren, um mir den Ort für ein Hospiz genauer anzuschauen“, erinnert sich die Frau, die früher auf einer Station in der Unfallchirurgie gearbeitet hat. Nach ersten Kontakten war sie schnell von der Aufgabe überzeugt, hier Menschen einfühlsam auf nichts anderes mehr vorzubereiten als auf ein Leben bis zum letzten Tag, um dann in Würde zu sterben. Seitdem arbeitet sie in diesem dezent und lichtvoll gestalteten Haus für das Ziel, unheilbar Kranken ein selbstbestimmtes Leben schmerzfrei bis zuletzt zu ermöglichen. „Sterben, Tod und Trauer gehen uns alle an und sind Teil unseres Lebens“, ist der Leitgedanke, von dem sie überzeugt ist. Dabei geht es nicht nur um die Versorgung der schwerstkranken Menschen, sondern auch um die Begleitung der Angehörigen mit ihren vielen Fragen und eigenen Ängsten. 

Durch mehrere Fortbildungskurse und „learning by doing“ wurde Christa Gustson Palliativ Krankenschwester. Das heißt: Rund um die Uhr im Schichtwechsel da zu sein für Schmerzminimierung und Symptomlinderung, aber ebenso für psychosoziale und spirituelle Begleitung, die Schutz und Geborgenheit bieten sollen. Denn das Wort „Palliativ“ ist Programm: Es ist abgeleitet vom lateinischen Wort für Mantel: „Pallium“. So will man hier die Gäste schützend umhüllen, wie mit einem warmen Mantel.

„Eine Oase in Rondorf“, nennt Christa Gustson ihren Arbeitsplatz. Mit ihr gehören fast 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Team. Viele arbeiten in Teilzeit, es sind qualifizierte Pflegekräfte, Ärzte, junge Erwachsene im Freiwilligen Sozialen Jahr. Dazu kommen eine Garten-Therapeutin und ein Seelsorger. Besondere Angebote sind außerdem eine Aromapflege mit frischen Essenzen und Düften aus der Natur und eine Musik-​ und Kunsttherapie. Die Kooperation mit dem ambulanten Hospizdienst der Johanniter ergänzt das Angebot durch ehrenamtliche psychosoziale Betreuung. Auch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden sind verfügbar.

Wir schauen durch das Fenster der kleinen Kapelle hinaus zur Straße. Manchmal hört man sogar von draußen im Vorbeigehen das Singen oder das Spiel der Orgel. Denn regelmäßig wird hier auch ein Gottesdienst angeboten und auf Wunsch in die Zimmer übertragen. „Der Wunsch nach religiösem Beistand hat in den Jahren sehr abgenommen. Dennoch entwickeln sich mit dem Seelsorger und auch mit uns Pflegenden manchmal tiefe Gespräche über den Sinn des Lebens, über Rückblicke und Lebensfazits“, meint die Frau nachdenklich, die selbst so viel Gelassenheit und innere Ruhe ausstrahlt.

Wer weiter durch das Haus geht, spürt schnell eine große Stille. Die Hektik des Lebens bleibt vor der Tür. Nur aus dem benachbarten Kindergarten kommt ab und zu das fröhliche Lachen der Kinder. „Viele der Schwerkranken empfinden diese Nachbarschaft durchaus als etwas Besonderes und Befreiendes. Bei schönem Wetter können sie von ihren Fenstern oder aus dem Garten einen Blick auf das junge Leben nebenan nehmen, manchmal kommt es sogar zu kleinen Gesprächen über den Gartenzaun; das kann sehr berührend sein“, findet Christa Gustson, selbst Mutter von vier inzwischen erwachsenen Töchtern. Sie erzählt von der Freude, wenn zum Beispiel im November die Schulkinder des Kindergartens mit ihren Laternen ins Hospiz kommen und singen. Hier der Kindergarten, daneben das Hospiz St. Hedwig. Kommen und Gehen. Die ganze Spannweite des Lebens. 

Rund um das Haus pflegen derzeit drei ehrenamtliche Hobbygärtner, manchmal sogar mit ein paar Bewohnern, liebevoll kleine Blumenbeete. Auch eine Wildblumenwiese wurde gemeinsam angelegt. „Gerade jetzt im Frühjahr erfreuen sich die Gäste daran, noch einmal die neu aufgeblühte Natur miterleben zu dürfen,“ erfahren wir.  Und drinnen ist seit 15 Jahren der Arbeitsplatz von Christa Gustson. Soll man sie bewundern für dieses Engagement, das durchaus einiges abverlangt? Da wehrt sie vorsichtig ab: „Viele sagen mir, dass sie diese Arbeit mit Schwerkranken und Sterbenden nicht könnten. Aber ich sehe das anders: ich fühle mich in Vielem eher beschenkt, spüre Dankbarkeit und Anerkennung. Es ist mir erlaubt, am Leben anderer Menschen teilzuhaben, eine der größten Krisensituationen des Menschen mit aushalten zu dürfen, um so Tag für Tag zu erkennen, was wirklich wichtig ist. Ich erlebe hier tief bewegende Momente, die man so schnell nicht vergisst!“

Rückfrage: „Aber gibt es nicht auch den Moment, wo Sie erschöpft oder gar verzweifelt sind bei all dem Traurigen?“ Ihre Antwort kommt sehr klar: „Ja, es gibt diese Momente: wenn Kinder vor ihren Eltern sterben, auch wenn das Kind sechzig Jahre ist, gehört sich das nicht.“ Für sie selbst ist ein stabiles privates Umfeld hilfreich. Ab und zu wandert sie über Friedhöfe und fotografiert. Die Palliativ Krankenschwester hat für sich zudem ihre ganz eigene Fähigkeit entwickelt, nach einem intensiven Arbeitstag abschalten zu können. Sie schreibt ihre Gedanken, Gespräche, Begegnungen in kleinen Texten auf – Fröhliches, Nachdenkliches, Schönes, Trauriges.

Daraus ist inzwischen ein sehr lesenswertes kleines Buch entstanden: „Dabei sein – Bleibende Momente aus dem Hospizalltag“ lautet der Titel. Gleich auf der ersten Seite verrät sie: „Das Schreiben hilft mir, Dinge von meiner Seele zu nehmen, ohne sie zu vergessen.“ Da ist etwa die erst 22jährige Frau, die in ihrem kurzen Leben schon so viele Schicksalsschläge erlitten hat. Wir lesen: „Sie liegt mit dem Gesicht auf meinen Beinen und weint. Mich packt es und gemeinsam rollen die Tränen. Nach einer Weile zückt sie ein Taschentuch, reicht es mir, tätschelt meine Hand und lächelt mich an. Was für ein großer Moment.“

Ja, es gibt Menschen, denen die helfende Sterbebegleiterin, (ein Gast nannte sie mal Hebamme) im Hospiz in all den Jahren begegnet sind, die sie nicht vergessen kann. „Interessanterweise sind dies am häufigsten die Gäste mit Ecken und Kanten, mit Eigenheiten, wo ich noch lange denke, dieser Mensch hatte etwas sehr Spezielles!“ Aber dann fügt sie hinzu: „Letztlich ist jeder Mensch etwas ganz Besonderes!“ Dieses Motiv wird hier im Hospiz St. Hedwig jeden Tag gelebt. So gut es geht. Dazu gehört auch, letzte Wünsche zu erfüllen.

In diesen Tagen ändert sich etwas im Leben der Palliativ Krankenschwester. Christa Gustson übernimmt im Hospiz die neue Aufgabe als Koordinatorin der Ehrenamtlichen im ambulanten Hospizdienst der Johanniter. Was sie sich für die Zukunft wünscht? „Dass dieses ein offenes Haus für Begegnungen bleibt!“ Deshalb möchte sie auch, „dass wir das Sterben mehr als einen Teil unseres Lebens verstehen und das Thema nicht hinter verschlossenen Türen verdrängen.“ Besucher, Interessierte und der Kontakt zur Öffentlichkeit sind ihr deshalb weiterhin ein Anliegen.

Eine wichtige Rolle spielt dabei aus ihrer Sicht der Förderverein, der maßgeblich von der Dorfgemeinschaft mitgetragen wird. Das Hospiz ist nämlich angewiesen auf die Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern, von Firmen, Vereinigungen und Institutionen, da nur ein Teil der erforderlichen Mittel durch Krankenkassen und Pflegekassen zur Verfügung gestellt wird. „Wer will, kann durchaus noch mehr tun. Zum Beispiel einen Teil seiner Zeit und Kraft zur Verfügung stellen, um ehrenamtliche Aufgaben zu übernehmen“,  sagt Christa Gustson. Und gibt dem Besucher die Überzeugung mit: „Ich würde es wieder tun!“

Kontakt: Hospiz St. Hedwig, Am Höfchen 16, 50 997 Köln – Rondorf, Tel. 02203-3691-11121 www.foerderverein-hospizdienste.de; hospizverein@alexianer-koeln.de

Eine von uns: Eva-Marie Blumschein

Sie ist Harfenistin aus Leidenschaft. Eva-Marie Blumschein beherrscht meisterhaft ein ganz besonderes Instrument, das bereits seit mehr als 5000 Jahren gespielt wird. Selbst am eleganten französischen Hof war es üblich, so die Saiten zu zupfen. Warum die Harfe auch in Zukunft konkurrenzlos ist, hat die Rondorfer Künstlerin, die von Anfang an zum Team der Musikschule Papageno gehört, dem SÜDBLICK in einem ganz privaten Einführungskurs erzählt.

Sie ist eine Frühberufene. Bereits als Schülerin am Gymnasium Rodenkirchen war sie Jungstudentin an der Kölner Musikhochschule, an der sie nach dem Abitur auch studierte. „Ich habe bereits als sechsjährige an einem Tag der offenen Tür einer Musikschule die Harfe kennenlernen dürfen. Der besondere Klang und die wunderschöne Erscheinung haben mich sofort begeistert und fasziniert.“ So erinnert sich Eva-Marie Blumschein an ihre erste Begegnung mit einem der ältesten Musikinstrumente der Welt, das bereits im frühen Ägypten gespielt wurde und schon in der Bibel hohen Stellenwert unter König David besaß. 

Die vielleicht etwas kapriziöse Rarität hat seither nichts von ihrer Faszination verloren. Jedenfalls nicht für die passionierte Harfenistin aus Rondorf. „Die Harfe wird die Menschen mit ihrem Klang immer berühren und ihre Wirkung nie verfehlen. Ich bin davon überzeugt, dass Schwingungen und Resonanz die Gesellschaft ganz grundsätzlich positiv stärken“, erzählt sie voller Überzeugung. Und was macht dieses Instrument so einmalig? „Der Klang ihrer Saiten ist sehr direkt und ohne Umwege spürbar und hörbar. Die Vibrationen gehen von der Saite über den Klangkörper auf den Zuhörer über und berühren ihn direkt“, erläutert die Meisterzupferin dem SÜDBLICK den magischen Effekt ihres Instruments.

Die Harfe hat in ihren Augen alle Möglichkeiten, die ein Musiker braucht: Man kann mit ihr im Orchester spielen, kleinere kammermusikalische Ensembles bereichern, oder einen Solisten bei Geige, Cello, Flöte, Gesang, Chor, Oboe … begleiten. Und natürlich kann die Harfe auch als Soloinstrument erklingen. „Auch Jazz ist auf der Harfe möglich. Prinzipiell kann eine Harfe alles das, was ein Klavier auch kann… nur kann man auf der Harfe selten etwas ‚vom Blatt‘ spielen, weil die Harfe keine ‚schwarzen Tasten‘ hat — dafür haben wir auf der Konzertharfe die Pedale, mit denen ich die Stimmung der Saiten um einen Halbton verringern oder erhöhen kann. Ich brauche also nicht nur meine Hände, um Harfe zu spielen, sondern gleichzeitig auch die Füße, sonst geht es nicht. Die Konzertharfe hat nicht nur 47 Saiten, sondern auch 7 Pedale mit jeweils 3 Einstellungsmöglichkeiten! Das wissen nur die wenigsten, und die Leute sind immer ganz überrascht, wenn ich ihnen das erkläre“, erläutert sie lachend.

Eva-Marie Blumschein selbst hat zunächst auf einer kleineren irischen Hakenharfe mit Klappen zum Verstellen von Halbtonschritten begonnen und ist dann über eine Einfachpedalharfe zur Konzertharfe gekommen. „Dies ist für mich das Instrument, auf dem ich mich am wohlsten fühle, und das die größte Flexibilität bietet“, sagt die Tonkünstlerin mit Begeisterung und Überzeugung.

Heute ist sie eine viel gefragte Musikerin und hat schon so manches ungewöhnliche Event erlebt. Sie denkt da zum Beispiel an die Gamescom: Da gab es einen Auftritt mit der Computermusik zu einem sehr berühmten Spiel, „bei dem die Fans völlig ausgeflippt sind — auch sehr ungewöhnlich für uns Klassiker“, lacht die 44-jährige. Auch in der Köln Arena hat sie schon gespielt — mit Übertragung auf die Leinwand beim Harfeneinsatz. „Das ist nun eher ungewöhnlich“, erinnert sie sich schmunzelnd. 

Dennoch schätzt Eva-Marie Blumschein nicht zuletzt die kleinen eher privaten Konzerte, bei denen besondere Begegnungen, Erlebnisse oder gemeinsames Musizieren stattfinden. Und sie begleitet Menschen mit ihrer Kunst sogar in sehr persönlichen Lebenslagen etwa bei der Hochzeit oder der Taufe, aber auch zu Beerdigung und Todestagen am Grab. In ihrem Terminkalender stehen — normalerweise — neben Orchester- oder Soloauftritten auch Jubiläen, Überraschungskonzerte oder Abschiede im Krankenhaus. „Und wenn Corona vorbei ist, gibt es ein Klappstuhlkonzert bei mir zuhause,“ verspricht sie dem SÜDBLICK. 

Doch die eigenen Auftritte sind nur der eine Teil ihres Wirkens. An der Hochschule für Musik und Tanz Köln hat sie einen Lehrauftrag für Harfe, Orchesterstellen und Fachdidaktik des Harfenunterrichts, der sie mit viel Freude erfüllt. Mit dem Neuen Rheinischen Kammerorchester spielt sie regelmäßig große Konzerte und auch andere Orchester fragen bei ihr regelmäßig an. Außerdem unterrichtet sie privat und an der Rochus Musikschule Köln Bickendorf. Diese verfolgt ein ähnliches Konzept wie die Musikschule Papageno, in der sie seit 20 Jahren als Dozentin mit Begeisterung engagiert ist. Diese Musikschule der Evangelischen Kirchengemeinde Rondorf ist ihr besonders ans Herz gewachsen. Sie hat das Projekt seit 1999 mit aufgebaut. Dass die Schule heute über Köln hinaus so einen exzellenten Ruf genießt, liegt nicht zuletzt an ihr sowie den weiteren rund zwei Dutzend Dozenten.

Bei Papageno unterrichtet die viel Gefragte Harfe und außerdem Elementare Musiklehre im evangelischen Kindergarten Rondorf. Das Konzept überzeugt sie: „Papageno bietet uns die Möglichkeit in schönen Räumlichkeiten der Emmanuel Gemeinde und mit einem hochprofessionellen Kollegium zu unterrichten. Die Musikschule holt die Kinder bereits im Kindergartenalter ab und begleitet die Schüler bis zum Abitur“, beschreibt sie die Leistungen dieses Rondorfer Musikjuwels. Für ihre Arbeit hier stehen zwei hochwertige Harfen zur Verfügung: Eine kleinere Hakenharfe und eine große Doppelpedalharfe. „Das ist keineswegs selbstverständlich, da ein großes Konzertinstrument sehr teuer ist. Das ermöglicht eine umfangreiche Ausbildung und Flexibilität, auf die Wünsche der Schüler professionell einzugehen“, erläutert die Musikpädagogin. Die Exklusivität des Instruments bedingt allerdings, dass es sich immer eher um einige Wenige, aber dafür immer selbst berufene Schüler handelt. Es komme eher selten vor, dass Eltern den Kindern vorschlagen, doch bitte Harfe zu lernen. Meist ist das andersherum. 

Die Musikschule Papageno bietet immer wieder die Möglichkeit von Auftritten im geschützten Raum und dem gemeinsamen Musizieren der Schüler unterschiedlicher Klassen untereinander bzw. miteinander. „Dieser Austausch ist sehr wichtig und unterscheidet sich von reinem Privatunterricht. Papageno legt Wert auf das, was landläufig klassische Ausbildung genannt wird. Aber ich verstehe darunter, den Schülern Fliegen beizubringen. Mit den besten Voraussetzungen von Beginn an und einer soliden Ausbildung habe ich hinterher alle Freiheiten, die ich brauche. Musik soll Spaß machen und keinen Druck erzeugen — das stimmt, aber so ganz ohne Fleiß und Einsatz klappt es auch nicht. Die Überwindung von Herausforderungen kann gerade auch in der Gemeinschaft unheimlich motivieren und fördern. Bei Computerspielen bleiben die Jugendlichen freiwillig stundenlang bei einer einzigen Problematik, nur um ins nächste Level zu kommen… das ist von technischen Herausforderungen am Instrument gar nicht so weit entfernt“, gibt Eva-Marie Blumschein einen anschaulichen Einblick in ihre Aktivitäten als Musiklehrerin.

Wenn jemand überlegt, Harfe zu lernen, was rät sie ihm? Sie erzählt aus ihrem Alltag: „Meine jüngste Schülerin, die anfing Harfe zu lernen, war 4 1/2 Jahre alt, meine älteste Anfängerin 78. Wenn die Harfe einen gepackt hat, sind alles andere Nebensächlichkeiten. Wir finden immer einen Weg. Großes oder kleines Instrument, gekauft oder geliehen, Spielen nach Gehör oder nach Noten, Noten lernen ist auch eine sehr logische Sache, die keinem Alter unterliegt und im learning by doing and playing-Prinzip ganz wunderbar ist! Bei ehrlichem Interesse kann ich nur raten, loszulegen und den Anfangsimpuls mitzunehmen! Der Schwung der Begeisterung genügt“, ist die Harfenistin aus Leidenschaft schon wieder beim Thema Schwingung.

Doch wie viel Übung und Training sind erforderlich bis man dieses besondere Instrument beherrscht? Ihre ehrliche Antwort: „Musik und Sport sind sich diesbezüglich sehr ähnlich. Regelmäßiges Training, ausreichende Kondition und mentale Stärke sind grundsätzliche Voraussetzungen, um auf einem professionellen Niveau zu musizieren. Die persönliche Weiterentwicklung endet nie, und es gibt immer wieder neue Ziele zu erreichen. Getreu dem Motto „nach dem Spiel ist vor dem Spiel“.

Aber braucht man für dieses Instrument nicht ganz besondere, auch körperliche Voraussetzungen? „Grundsätzlich ist es für Jedermann möglich, Harfe zu spielen und zu lernen“, meint sie, schränkt aber ein: „Dennoch ist es ein sehr komplexes Instrument, bei dem die Koordination von Auge-Hand-Fuß beidseitig unabhängig erfolgt. Die Fingerfertigkeit braucht auch eine gewisse Kraftanstrengung. Für eine Hobbyharfenistin ist die sicherlich nicht so wichtig, aber um in der Orchesterwelt bestehen zu können, braucht es Kraft, Ausdauer und Selbstbewusstsein, da man als Solistin agiert.“ 

Doch dann komm noch etwas sehr Spezielles dazu: Die Harfe ist ein buchstäblich schweres Instrument. Die Konzertharfe als größte Vertreterin ihrer Art ist mit 175 bis 190 Zentimeter Höhe und meist 34 bis 42 Kilogramm Gewicht immerhin eines der größten und schwersten Orchesterinstrumente. Ist das im Alltag nicht etwas unpraktisch und unhandlich? „Das stimmt, und die neuen Instrumente werden immer noch größer gebaut, um den Klang noch tragender und in größerer Lautstärke in den Raum zu bringen. Irische Harfen sind wesentlich kleiner und handlicher, werden aber im klassischen Orchester nicht eingesetzt. Immerhin ist es möglich, die Konzertharfe zu transportieren, mitzunehmen und an den außergewöhnlichsten Orten wieder aufzustellen. Außer dem Instrument und einem Stuhl zum Sitzen brauchen wir kein Equipment…. obwohl wir immer mit Stimmschlüssel und Ersatzsaiten reisen (47 Stück!) um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein“, weiß die Papageno-Dozentin.

Aber hat eines der ältesten Instrumente der Welt auch eine Zukunft? Da ist sich Eva-Marie Blumschein ganz sicher: „Die Harfe ist ganz ohne Frage ein zeitloses Instrument, das keinen Modeerscheinungen unterliegt. Die zeitgenössischen Komponisten experimentieren gerne mit den Klangfarben und Möglichkeiten der Harfe als Instrument.“ Auch wenn das Klavier die Harfe als Liebling der Hausmusiker abgelöst haben mag, so gibt die Rondorferin doch zu bedenken: „Auch die Queen hat ihre Hofharfenistin und in Tirol wundert sich niemand über die Rolle der Harfe bei der Stub’nmusik.“ Noch irgendwelche Fragen? 

Ach ja, eine noch: Bleibt in diesem Leben voller Musik überhaupt noch Zeit für etwas anderes? Doch auch da kann uns Eva-Marie Blumschein mit Vielseitigkeit überzeugen: Sie lebt mit ihrer Familie in einem Mehrgenerationen-Haushalt: Ihr Mann, drei Kinder, eine Oma, zwei Hunde und vier Hühner gehören dazu. Der Garten ist zum Glück groß. Als wir uns verabschieden, versichert uns die Künstlerin noch: „Da kommt keine Langeweile auf. Ich lese viel, buddle gern im Garten, koche mit Freunden und kümmere mich um die Angelegenheiten, die in eine Großfamilie täglich anfallen.“ Musik macht offenbar auch gelassen.

Kaum wieder auf der Straße, ertönt wenig später durch das Fenster der sphärische Klang einer Harfe. Nur Übung macht die Meisterin! Eva-Marie Blumschein freut sich, wenn sie hoffentlich bald wieder öffentlich auftreten darf, und der Lockdown auch in der Kultur ein Ende findet: „Denn wir brauchen diesen gemeinsamen Raum miteinander, durch Resonanzen in Schwingung gebracht zu werden.“ 

Einer von uns: Stefan Schmitz

Wenn der Rondorfer Stararchitekt Stefan Schmitz ans Werk geht, ist jedes seiner Projekte zugleich eine Botschaft. Bauen heißt für ihn, das Wohl zukünftiger Generationen in den Blick zu nehmen. Egal, ob er in seinem heimischen Veedel mit dem Projekt „My George“ gerade neue Wohnformen realisiert oder in der fernen Mongolei am ambitionierten Bau einer völlig neuen Idealstadt arbeitet. Demnächst präsentiert der international gefragte Planer seine Mission auch in einem Buch: „Stadt der Zukunft“, eine Mischung aus Mahnung und Vision. Im SÜDBLICK-Gespräch macht der renommierte Bauexperte auch unumwunden deutlich, dass er sich für das Großprojekt Rondorf Nordwest manches durchaus besser wünscht.

Die Zukunft wohnt gleich um die Ecke. Zugegeben, es ist erst einmal eine Baustelle. Direkt neben der unübersehbaren St. Georges School an der Kapellenstraße sind die Baufahrzeuge seit einigen Wochen heftig dabei, ein schickes „Life-Balance-Quartier“ hochzuziehen. Insgesamt zwölf „lebenslustige, familiäre Architektenhäuser mit abgestimmter Gestaltung, offen für neue Ideen und Gespür für die Zukunft“ verspricht der Prospekt. Es ist die jüngste Visitenkarte von Stefan Schmitz. Und der freut sich, dass die Nachfrage groß ist, obwohl die Häuser, die ab Ende 2021 bezogen werden sollen, nicht ganz billig sind. „Alles Rondorf-typische, hochwertige Backstein-Architektur“, betont der Chefplaner, das ist ihm wichtig. Denn Stefan Schmitz liebt unverkennbar sein Veedel, in dem der gebürtige Frankfurter seit 1997 zuhause ist. Und dessen bauliche Entwicklung er seitdem mit offenen, durchaus kritischen Augen verfolgt. 

Was also könnte besser werden? Was fehlt?  Da hat er gleich mehrere Vorschläge. Zum einen: „Rondorf ist ein Straßendorf. Aber die Rondorfer Hauptstraße ist als „Ortskern“ mit ihren Einzelhandels- und Gastronomie-Angeboten wegen des hohen Verkehrsaufkommens für Fußgänger und Radfahrer leider wenig attraktiv. Die mit dem Neubaugebiet Rondorf-Nordwest geplante Umgehungsstraße im Süden wird den Ortskern entlasten. Dadurch entsteht die Chance seiner Aufwertung für Fußgänger, Radfahrer und Einzelhandel, die sinnvoll genutzt werden könnte, wenn auch die durch das Neubaugebiet entstehenden zusätzlichen Bedarfe für Einzelhandel und Gastronomie hier ihren Platz finden könnten. In den bestehenden Planungen ist dies leider nicht der Fall“, zieht er eine durchaus kritische Zwischenbilanz der derzeitigen Überlegungen.

Zum anderen hält er fest: „Rondorf ist auch eine Schlafstadt. Als Folge des Stadtwachstums der letzten Jahrzehnte wuchsen die Wohngebiete um die stadtnahen Dörfer, weil die City aufgrund hoher Mieten und wenig verfügbaren Flächen zu wenig Angebote für das Wohnen bereitstellen konnte. So entstanden in Rondorf ausgedehnte Wohngebiete, die jedoch wegen ihrer Monostruktur wenig städtisches Leben zu bieten haben. Mit dem Neubaugebiet entsteht nun die Chance, eine funktionale Mischung in Rondorf einzuleiten, also auch Orte für Arbeit im Dienstleistungs- und Gewerbe-Sektor zu schaffen. Es gilt, eine Entwicklung anzustoßen die die Bürgerwerkstatt Rondorf mit der Überschrift „Von der Schlafstadt zum Veedel“ tituliert hat.“

Diese Chance sieht Stefan Schmitz bislang vertan, „obwohl bei den kommunalen Stadtplanern die Botschaft angekommen sein müsste, dass ein funktional und sozial gemischtes Stadtviertel für die Stadt der Zukunft steht. Im Falle Rondorf Nordwest gibt der Investor Amelis den Ton an, wenn es darum geht, die Nutzungen in der Bauleitplanung festzulegen. Hier zieht das Argument einer „bedarfsgerechten Planung“, mit anderen Worten, nur das zählt, was der Markt im Augenblick verlangt. Das Ziel einer Transformation des Stadtteils Rondorf in ein „lebendiges Veedel“ bleibt damit auf der Strecke.“

Einmal in Fahrt, gibt er auch dies noch zu Protokoll: „Auch hinsichtlich der Verteilung der durch das Neubaugebiet neu hinzukommenden kommerziellen Nutzungen in Erdgeschosslage verpasst die aktuelle Planung eine sinnvolle Integration in das bestehende Rondorf. Die neuen Flächen für Gastronomie und Einzelhandel sowie einen Vollversorger werden nicht an den Ortskern Rondorfer Hauptstraße angeschlossen, sondern im Neubaugebiet jenseits der Stadtbahntrasse angesiedelt. Hinzu kommt eine Abschottung des Neubaugebietes hinsichtlich der befahrbaren Straßenverbindungen, was den isolierten Zustand des dort entstehenden Quartiersplatzes weiter verstärkt.“ Und dann folgt der Appell: „Das Neubauprojekt eröffnet ein großes Potential zur Aufwertung des bestehenden Stadtteils, das jedoch von den derzeitigen Planungsträgern nicht genutzt wird. Die aktuelle Planung entspricht in keinerlei Hinsicht den Kriterien einer modernen und nachhaltigen Stadtentwicklung. Hier ist dringend ein Umschwung notwendig.“

Früh hat Stefan Schmitz mit vielen Mitstreitern seine Ideen in die Bürgerwerkstatt der Dorfgemeinschaft eingebracht. Und ist umso mehr irritiert, dass die von den Experten dort entwickelten Konzepte für das Großbauprojekt insgesamt zu wenig Beachtung finden. Deshalb mahnt er auch: „Wenn dies ein urbanes Vorzeigeprojet werden soll, darf der zeitliche Druck eines Baubeginns nicht dazu führen, dass mangels Dialog mit den Bürgern vor Ort vorschnell Fakten geschaffen werden, die irreversible Fehlentwicklungen nach sich ziehen können.“ Deshalb lautet seine konkrete Forderung: „Bei Vorhaben der Größenordnung wie in Rondorf muss es Gestaltungswettbewerbe geben, so dass eine unabhängige Jury die besten Ideen auswählen kann.“

Ja, für den erfahrenen Stadtplaner war schon die Entstehung des Großbauprojektes fehlerhaft: „Es war falsch, dass am Anfang keine öffentliche Ausschreibung für den Kauf des Grundstücks erfolgte, sondern das ganze Baugebiet direkt an ein Unternehmen verkauft wurde. Der städtebauliche Entwurf wurde nicht wie üblich über ein Wettbewerbsverfahren ermittelt, sondern über den damaligen Baudezernenten willkürlich an ein Planungsbüro vergeben.“ Eine Kritik, mit der er nicht alleinsteht. Und schon gar nicht mit der weiteren Feststellung: „Leider gibt die vorliegende Planung baurechtlich fast nur „Allgemeines Wohngebiet“ vor, das dem Ziel der Schaffung eines lebendigen Veedels nicht gerecht wird.“ Schon von jeher lautet die grundsätzliche Überzeugung des 65jährigen: „Wir brauchen eine polyzentrische Stadtentwicklung, bei der die Stärkung der Stadtteile als autonome Städte in der Stadt im Mittelpunkt steht.“

Stefan Schmitz ist ein Mann, der weiß, wovon er spricht. Nach erfolgreicher Mitarbeit in Architekturbüros u.a. in Paris und Florenz gründete er 1990 sein eigenes Büro als Architekt und Stadtplaner in Köln. Bereits am Anfang seiner aktiven Berufslaufbahn wurde er neben Gottfried Böhm mit dem Rheinischen Kulturpreis und dem Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für junge Künstlerinnen und Künstler ausgezeichnet. Es folgten zahlreiche Wettbewerbserfolge. Mitbegründet hat er das Architekturforum Rheinland e.V. (AFR). Nach seinem ehrenamtlichen Engagement in Köln als Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten (BDA) und Vorsitzender des Gestaltungsbeirats der Stadt Köln wurde er 2008 zum Wirtschaftsbotschafter der Stadt Köln ernannt.

Und was ist sein Hauptantrieb für seine Leidenschaft? „Die Herausforderung besteht bei jedem Projekt darin: Es braucht einen Spürsinn, um Architektur zu entwerfen. Es braucht einen tragenden Gedanken am Anfang. Nur dann entsteht ein Ganzes, eine Architektur, die einzigartig ist.“ Seine Überzeugung lautet: „Architektur ist schön, wenn alles stimmt und im Einklang steht.“ Dieser Satz ist so etwas wie das Leitmotto für das umfangreiche Schaffen des engagierten Rondorfer. 

Und nach dieser Devise hat er bisher über dreihundert Architektur- und Städtebauprojekte im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit mit seinem Büro entworfen, wenn auch nur zum kleineren Teil gebaut. Auch Köln hat er mit zahlreichen Projekten inspiriert. So den Wiener Platz mit der Galerie Wiener Platz in Köln-Mülheim oder die Neugestaltung Severinstraße. Doch die Welt des Stefan Schmitz ist groß. Mitten in der Mongolei entwickelt er seit 2012 sein bisher größtes Projekt „Maidar City“: In der Nähe der völlig überlasteten mongolischen Hauptstadt Ulan Bator will er eine neue Vorzeigestadt für 300.000 Menschen schaffen. Inzwischen ist die Planung so weit, dass die Investorensuche beginnen konnte. 

Die Idealstadt folgt strengsten ökologischen Standards. Hierfür wurde er 2016 mit „Platin“, dem höchsten Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen  ausgezeichnet. „Mir geht es um die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen durch Einsatz erneuerbarer Energien und optimale Wirtschaftlichkeit über die gesamte Lebensdauer des Gebauten hinweg“, betont er im SÜDBLICK-Gespräch. Seine Vision für „Maidar City“ geht jedoch weit über die ökologische Nachhaltigkeit hinaus. Deshalb soll die Stadt der Zukunft nicht aus einem Zentrum bestehen, sondern aus vielen gleichberechtigten Stadtteilen, die sowohl Arbeitsplätze als auch Wohnraum, Kulturangebote und öffentliche Dienstleistungen bieten. So sollen lebenswerte Viertel für alle entstehen und keine Luxus-Gebiete nur für Wohlhabende. „Nachhaltig ist nur das, was sozial und funktional gemischt ist“, sagt Stefan Schmitz dazu.

Es ist nicht das erste und einzige Projekt des Kölners in Fernost. Deshalb wurde er 2009 zum Sprecher der Initiative EcoCity+ für nachhaltige Stadtentwicklung in China und 2010 zum Gastprofessor in Xuzhou (China) berufen. 2018 folgte die Ernennung zum Honorarkonsul der Mongolei (NRW) und die Berufung in den Beirat der Deutsch-Mongolischen Gesellschaft. 

Auch wenn der Kölner mit seiner Vision vom ökologischen Städtebau rund um den Globus unterwegs ist, ist er doch fest in seiner Wahlheimat Köln verwurzelt. 23 Jahre wohnt er in Rondorf. Und kämpft unverdrossen weiter für eine engere Einbindung der Bürger in städtebauliche Planungsprozesse. In seinem Buch zur „Zukunft der Stadt“, an dem er momentan noch intensiv arbeitet, umreißt er seine Vision klar: „Wieviel einfacher wäre es, wenn die natürliche Expertise der Bürger vor Ort von vornherein in geregelter Form in den Planungs- und Entscheidungsprozess mit eingebracht werden könnte. Es gilt, dieses Potential zu nutzen, um auf schnellstem Weg einen allseits befriedeten Interessensausgleich zu erreichen und unnötige Auseinandersetzungen zu vermeiden.“ Rondorf Nordwest liefert ihm dafür viel konkretes Anschauungsmaterial. So lautet denn das Credo von Stefan Schmitz: „Wer das durchaus willkommene Neubaugebiet nicht als introvertierten, nur in sich funktionierenden Körper begreifen will, muss es eng mit dem bestehenden Stadtgefüge so verknüpfen, dass Rondorf als Ganzes gewinnt und bestehende Defizite mit Hilfe der neuen Entwicklung beseitigt werden können. Es gilt, die bestehenden Potentiale des Ortskerns und die der Neubebauung so zusammen zu führen, dass Synergieeffekte entstehen, die den Ortskern und damit den Stadtteil Rondorf als Ganzes aufwerten.“ 

Ob dies gelingt? Die Frage bleibt offen. Aber wem wirklich an einem lebenswerten Veedel liegt, der darf schon jetzt gespannt sein auf das Buch des Stararchitekten aus Rondorf.

Einer von uns: Schiedsmann Werner Müller

Ach, wie schön wäre es doch, wenn alle Menschen in Frieden miteinander leben könnten! Doch das ist im Alltag nicht immer einfach. Hier ein unbedachtes böses Wort, das rasch zur Beleidigung eskaliert. Da ein Hausfriedensbruch, eine Sachbeschädigung. Aber zum Glück gibt es Werner Müller, den immer auf Ausgleich bedachten Schiedsmann aus Rondorf. Wie er aus aufgebrachten Streithähnen wieder freundlich grüßende Nachbarn macht, hat er dem SÜDBLICK verraten. 

Alles an ihm ist irgendwie beruhigend: Mit langsamer, aber fester Stimme beschwichtigt Werner Müller sein Gegenüber, der eben noch aufgeregt lautstark und heftig seinem Ärger Luft gemacht hat. Und sei es nur, weil ihn die Steckdosen in der Wohnung nebenan stören. Nicht selten geht es in solchen Fällen in Müllers guter Stube recht emotional zu, so manches hat sich da im Laufe der Zeit offenkundig bei Frau X oder Herrn Y aufgestaut. In Extremsituationen kann es sogar vorkommen, dass die eine Streitpartei die andere während der Verhandlung körperlich so massiv attackiert, dass der Schiedsmann dazwischen gehen muss und alle beide hinauswirft.

Doch Werner Müller ist im Allgemeinen äußerst geduldig. Still hört er sich alles an. Dann macht er eine Pause. Schaut mit sanftem Lächeln über den schmalen Brillenrand zur „Konfliktpartei“ auf der anderen Seite des Tisches. Und sagt erst einmal nichts zu dem hitzigen Vortrag. Er macht sich stattdessen ein paar Notizen. Dann kommt der „Kontrahent“ zu Wort. Wieder die gleiche Prozedur. Aber vielleicht ist das Temperament jetzt schon wieder etwas herunter gekühlt. Denn Werner Müller setzt alles daran, eine Atmosphäre betonter Sachlichkeit zu schaffen. „Wichtig ist, dass jede Partei erstmal in Ruhe ihre Sichtweise darlegen kann und nicht unterbrochen wird“, erzählt er. Manchmal dauern die Gespräche lange oder sehr lange. Meistens jedoch ca. eine Stunde. Die Verhandlungen dauern länger, so bis zu zwei Stunden. Sofern der umtriebige Besucher, der erst nach acht Wochen Zeit zu einem klärenden Gespräch in seiner Sache findet, nicht schon wieder nach zwei oder drei Minuten einfach aufsteht und davon geht. Sein Problem scheint offenbar doch nicht so wichtig zu sein.

Seit mehr als vier Jahren ist der heute 68jährige ehrenamtlicher Schiedsmann für den Kölner Bezirk 21, der nicht nur Rondorf, sondern auch Bayenthal, Marienburg, Raderberg, Raderthal und Zollstock umfasst. Und da gibt es wohl einiges zu tun: Rund 120 Streitfälle haben ihm bisher Polizei, Gerichte zugewiesen oder sie sind in Eigeninitiative gekommen, weil sie hoffen, dass der kräftige weißhaarige Mann die Streithähne zu einer Verständigung bewegen kann. So wie zwei enge Verwandte, die seit Jahrzehnten jeder eine Doppelhaushälfte bewohnen, aber wegen Unstimmigkeiten über die gemeinsame Gartengrenze partout kein Wort miteinander sprechen. Da sind die Ärgernisse vorprogrammiert. 

Was vor allem bringt Menschen, oftmals Nachbarn, so auf die Palme, dass sie aneinandergeraten? Da muss selbst der immer freundliche, gelassene Herr Müller ein wenig lächeln: „Garten, Garten, Garten – Tiere, Beleidigungen, Lärm und alles was man sich vorstellen kann“, zählt er auf. Die Zahl der Akten, die sich im Laufe der Zeit gestapelt haben, ist beachtlich. „Manche schleppen dicke Ordner mit Fotos und anderem scheinbaren Beweismaterial an“, hat der Schiedsmann gelernt, der auch in der Seniorenvertretung Rodenkirchen aktiv ist.

Natürlich darf er keine Details verraten, Diskretion ist in diesem ehrenamtlichen Job als Friedensstifter die Vertrauensgrundlage schlechthin. Aber er lässt im SÜDBLICK-Gespräch zumindest ahnen, wer da so alles durch seine schmucke Tür zu ihm kommt: Es sind mehr Männer als Frauen, eher Ältere als Junge, die da bisweilen mitunter heftig „ihr gutes Recht“ einfordern. Und das bisweilen auch anschaulich demonstrieren. Da ist zum Beispiel jene Dame, die dem braven Schiedsmann aus Rondorf die Spuren eines Hundebisses unbedingt an ihrem Gesäß zeigen musste. Leider aber war trotz des Sichtkontakts nichts weiter zu sehen. Ein sehr hintergründiger Fall.

Oftmals ist der ehemalige Bilanzbuchhalter, der auch schon als Koch im Kurhaus auf der schönen Bühlerhöhe im Schwarzwald gearbeitet hat, erstaunt, dass ein und derselbe Fall plötzlich so zwei völlig unterschiedliche Geschichten zu Tage bringt. Dann ist vor allem der gesunde Menschenverstand gefragt. Mit leiser Stimme versucht Werner Müller zu vermitteln. Nur vorsichtig schaltet er sich ein. Etwa mit der Frage: „Ist es nicht besser für Sie, wenn wir versuchen, eine Einigung zu finden? Oder möchten Sie wirklich dauerhaft in Streit und Unfrieden leben?“ „Schlichten statt Richten“, ist sein Leitmotiv, denn er ist ja kein Richter. Sondern eher ein Moderator, der sich bemüht, die beiden konträren Seiten behutsam miteinander ins Gespräch zu bringen.

Was also muss jemand vor allem mitbringen, der sich auf diese heikle Aufgabe als Schiedsmann einlässt? „Er sollte sehr gelassen, konsequent und voller Fantasie sein“, zieht der Rondorfer Bilanz seiner langjährigen Erfahrungen. Und ist ein bisschen stolz: In etwa der Hälfte der „streitigen Angelegenheiten“ ist es ihm gelungen, eine Lösung hinzukriegen – ohne den Weg zum Gericht.

Weil er nach seiner beruflichen Tätigkeit noch eine sinnvolle Beschäftigung ausüben wollte, hat sich der freundliche Herr bei der Stadt Köln für das Schiedsamt beworben, ganz genau beim Amt für Recht, Vergabe und Versicherungen. Dort führte er zunächst ein Gespräch mit dem zuständigen Mitarbeiter sowie einer erfahrenen Schiedsperson aus Köln. Ihnen gefiel die souveräne, ruhige Art des Jungrentners. Als Schiedsperson kann sich hier übrigens jeder bewerben, der mindestens 30 Jahre alt ist, aber noch nicht siebzig. Müller bekam eine mehrtägige Einweisung und wurde sodann für fünf Jahre von der Bezirksvertretung Rodenkirchen in das Ehrenamt gewählt. Seine Mission lautet seitdem: Zwei Streitparteien an einen Tisch bringen, die Positionen geduldig austauschen, mit freundlichen diplomatischen Ratschlägen eine Einigung anstreben, so dass am Ende alle möglichst wieder mit einem versöhnlichen Händedruck auseinandergehen können. Denn das ist Werner Müller wichtig. „Gut ist es, wenn sich beide gegenseitig zum Schluss entschuldigen und damit auch für sich einen sehr persönlichen Schlussstrich unter die zunächst erbitterte Angelegenheit ziehen und wieder ihren inneren Frieden finden!“.

Der ganz praktische Vorteil: Bürger kommen so oftmals unbürokratisch und schnell zu ihrem Recht durch einen Vergleich. Das spart Kosten und entlastet die Gerichte. Das Verfahren beim Schiedsamt wird durch einen Antrag, der Name und Anschrift der Parteien sowie den Gegenstand der Causa darstellt, eingeleitet. Bei Streitigkeiten mit eher geringem Streitwert und bestimmten Nachbarschaftskonflikten müssen die Prozessparteien sogar im Regelfalle zuerst einen Schiedsmann aufsuchen, bevor es zum aufwändigen juristischen Fall kommt. Der Schiedsmann setzt den Termin fest, zu dem beide Parteien erscheinen müssen, sonst droht sogar ein Ordnungsgeld.

Werner Müller ist aber kein Richter und spricht also kein Urteil. Vielmehr protokolliert er das Wesentliche, schreibt in kurzer Form auf, was die jeweilige Partei umtreibt. „Das ist mir wichtig, damit nicht alles schwammig bleibt“, beschreibt er seine Vorgehensweise. Als Vermittler zwischen den Fronten ist er sorgsam bemüht, sich während der Gespräche zurückzuhalten und sich keinesfalls von einer Seite beeinflussen zu lassen. 

Ist der Einigungswille erzielt, formuliert er im Erfolgsfalle schriftlich eine Vereinbarung. Akzeptieren die Streithähne mit ihrer Unterschrift das einvernehmliche Ergebnis, wird das Ganze noch mit einem Dienstsiegel bekräftigt. So viel Ordnung muss sein. Dafür ist das Dokument dann auch 30 Jahre gültig. Allzu teuer ist das Verfahren für die Beteiligten nicht: Für einen Vergleich sind 25 Euro fällig, dazu kommen Auslagen etwa für Porto. Ein Anwalt wäre für ein solches Honorar kaum zu bekommen.

Verhandelt wird bei Werner Müller zuhause. Neben seiner Haustür im Merlinweg weist schon ein Schild mit NRW-Wappen auf seine wichtige Aufgabe hin: Schiedsamt. Wird ein Schlichtungsantrag eingereicht, muss der Antragsteller zunächst einen Vorschuss von 50 Euro leisten. Wenige Wochen später geht es dann los. Und sollte der verbindliche Herr Müller einmal nicht erfolgreich sein, besteht immer noch der teurere Rechtsweg.

Bleibt zum Schluss eine Frage an den Schlichter von nebenan: Nimmt die Konflikthäufigkeit in unserer Gesellschaft eher zu? Da zieht der Mann aus Rondorf eine positive Bilanz und meint: „Eher nicht. Auch die größere Stressbelastung durch die Corona-Pandemie mit all ihren Begleiterscheinungen hat nicht zu einer Erhöhung des Streitpotenzials geführt.“ Na, das sind immerhin gute Aussichten für ein friedliches Neues Jahr.

Einer von uns: Claus Kreß

„Give peace a chance.“ Wer die Homepage von Claus Kreß besucht, stößt gleich auf diesen wohl berühmtesten Songtitel von John Lennon. Aufgenommen 1969. Der Kölner Jura-Professor war da gerade drei Jahre alt. Und doch wurde dieser Appell des Pop-Poeten später so etwas wie das Lebensmotto des Rondorfers. Denn der Straf- und Völkerrechtler ist heute einer der weltweit renommiertesten Juristen, wenn es um Fragen von Krieg und Frieden geht. Das ist sein „Herzensthema“. 

1998 verhandelte er für Deutschland mit bei der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofes und seit dem letzten Jahr ist er Richter in einem Rechtsstreit vor dem Internationalen Gerichtshof, dem Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen. Der SÜDBLICK wollte von ihm wissen: Bekommt der Frieden in unserer Welt jemals eine wirkliche Chance?

Er steht da inmitten einer Diskussionsrunde von drei Dutzend „Friedensbewegten“ im heimischen Pfarrzentrum Heilige Drei Könige. Die Debatte kreist engagiert um die Frage: „Warum gelingt es nicht, globale Konflikte anders als mit kriegerischer Zerstörung zu lösen?“ Zur gleichen Stunde senden die Fernsehnachrichten dramatische Bilder über neue schwere Auseinandersetzungen im Bürgerkriegsland Syrien, die zugespitzte Lage in Weißrussland. Blutige Kämpfe an vielen Ecken der Erde. „Ja, bei solchen Bildern muss jeder ganz tief schlucken; bei all diesem Leid versagt auch mir die Sprache. Aber genau das ist der Ansporn für mich, immer wieder über Regeln für friedliche Lösungen nachzudenken.“ Claus Kreß, der prominente Gesprächspartner des Abends, ist jetzt ganz in seinem Element. Denn er hat die Frage eines weltweiten Friedenssicherungsrechts zu seinem Lebensthema gemacht. 2012 hat er deshalb an der Kölner Universität ein Institut für internationales Friedenssicherungsrecht gegründet und ist dessen Direktor. Seitdem ist sein Rat, seine Expertise weltweit gefragt. Unermüdlich fordert er immer wieder ein klares Bekenntnis zur Idee des Völkerrechts ein. Doch seine Prognose an diesem Abend klingt keinesfalls optimistisch. Er sieht diese große Idee von vielen Seiten unter Druck durch eine „Allianz der Staaten, die sich vom Völkerrecht abwenden, durch Regierungen, die rücksichtslos auf eigene Faust kalkulieren“.

Was reizt ihn dennoch an seiner Aufgabe? Die Antwort kommt, ohne zu zögern: „Die Frage von Krieg und Frieden empfinde ich als elementar. Die Bewahrung des Weltfriedens ist die wohl wichtigste Voraussetzung dafür, dass zahlreiche andere zentrale Probleme erfolgreich bearbeitet werden können, etwa der Klimaschutz oder eine faire Weltwirtschaftsordnung“, erklärt der 54-jährige. Doch ist er frei von Illusionen: Das völkerrechtliche Gewaltverbot, dieser „Eckstein der internationalen Rechtsordnung“, steht unter Druck. Derzeit macht er sich auch Gedanken über die völkerrechtlichen Regeln, die bei Konflikten zwischen Staaten und transnationalen Terrororganisationen wie Al Quaeda oder dem „Islamischen Staat“ gelten müssen: „Früher standen die Konflikte zwischen Staaten ganz im Vordergrund. Inzwischen müssen wir den Blick auf solche nicht-staatliche Organisationen wie diese erweitern.“ Und er fragt: „Wann darf ein Staat einem anderen auf dessen Ersuchen hin militärischen Beistand auf dessen Staatsgebiet leisten?  Denken Sie etwa an die russische Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien.“ Zuletzt beschäftigte ihn auch der Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny.

Begonnen hat die Karriere des Top-Juristen im Bundesjustizministerium. „Bei der Mitarbeit an einer sehr umstrittenen Strafrechtsreform habe ich die Gesetzgebung in Deutschland hautnah erlebt. Dann wurde 1998 der Internationale Strafgerichtshof gegründet. Das interessierte mich brennend. Denn meine Fächer Völkerrecht und Strafrecht flossen hier ja zusammen. Doch als blutjunger Beamter habe ich mir keinerlei Chance ausgerechnet, an der Gründungskonferenz in Rom teilnehmen zu dürfen. Aber als im Ministerium herumgefragt wurde, hat sich kaum jemand gemeldet. Da habe ich schüchtern die Hand gehoben – und erlebte sodann fünf unglaublich spannende Wochen in Rom, die am Ende sogar erfolgreich waren.“ Ein „Geschenk der Hoffnung für künftige Generationen“, so nannte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan den neuen Gerichtshof in Den Haag.   

Wer dem smarten Professor zuhört, merkt schnell, da ist jemand, der nicht nur in großen Theorien denkt, sondern auch im politischen Alltag kein Blatt vor den Mund nimmt. So scheute er sich nicht vor Kritik etwa an US-Präsident Trump oder dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan. „Es gehört tatsächlich zu meinem beruflichen Selbstverständnis, nicht nur still über das Völkerrecht nachzudenken, sondern auch Stellung zu beziehen, wenn dieses Recht verletzt wird. In unserem Land genießen wir Wissenschaftler Unabhängigkeit. Das ist ein großes Privileg. Zur Glaubwürdigkeit gehört dann natürlich, niemanden von gebotener völkerrechtlicher Kritik auszunehmen“, bezieht er im SÜDBLICK-Gespräch klar Position.

Inzwischen haben sich dem Internationalen Strafgerichtshof 123 der 193 UN-Mitgliedsländer angeschlossen, darunter alle EU-Mitglieder. Nicht dabei ist jedoch China, Indien, Israel, Russland, Türkei und die USA. Wie wirksam also ist dieses Instrument, um Völkerrecht international durchzusetzen? „Es gibt zwar keine dokumentierte Erfolgsbilanz. Aber dass eine Institution Sanktionen verhängen kann, bleibt nicht ohne Wirkung“, konstatiert er. Der Kölner Experte nennt ein Beispiel: „In den letzten Jahren habe ich mich intensiv mit dem internationalen Verbrechen des Angriffskriegs beschäftigt, das man heute Verbrechen der Aggression nennt. Es ist nach langem Ringen gelungen, sich über eine internationale Definition zu einigen. Und seit 2018 kann der Internationale Strafgerichtshof seine Zuständigkeit über dieses Verbrechen ausüben.“ Immerhin ein konkreter Schritt für ein bisschen mehr Frieden.

Seine Zwischenbilanz lautet deshalb: „Bei aller Unvollkommenheit ist es im Lauf der Zeit gelungen, die Idee einer internationalen Rechtsgemeinschaft erheblich voranzubringen, sowohl durch die Schaffung von Normen als auch durch die Errichtung von Institutionen. All dies steht augenblicklich aber wegen der rechtsabgewandten Machtpolitik von Männern wie Trump, Putin, Erdogan oder Xi auf dem Spiel. Umso wichtiger ist es, dass die anderen nicht resigniert zurückweichen, sondern sich gemeinsam dafür einsetzen, das Erreichte zu bewahren.“ 

Und was stimmt ihn trotz aller Rückschläge für die Zukunft dennoch optimistisch? „Ich bin überzeugt, dass Recht und Institutionen widerstandskräftig sind, sie vergehen nicht über Nacht, wenn der Wind einmal rauer weht. Auch diese Herren sind, so meine feste Zuversicht, nicht das letzte Wort der Geschichte“, sagt der Rechtswissenschaftler. Und so hofft er, dass sich mit dem neuen US-Präsidenten auch die USA wieder aktiv für internationale Zusammenarbeit und Völkerrecht engagieren. Mit seiner Mission ist er weltweit unterwegs: Als Gastprofessor etwa an Hochschulen in Cambridge, Florenz, New York, Melbourne oder im japanischen Kyoto. Aber sein privates Zuhause hat er im Jahre 2000 mit seiner Familie in Rondorf gefunden: „Ich bin eine kölsche Seele – hier und dort zieht es mich zwar in die Ferne, aber ich komme immer sehr gerne wieder zurück an den Dom.“

Bleibt zum Abschluss unserer Tour d’Horizon durch die aufgewühlte Weltlage noch eine Frage: „Haben Sie ein historisches Vorbild? Eine Figur, von der man heute etwas lernen könnte?“  Da verweist Claus Kreß spontan auf Benjamin Ferencz, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit Kriegsverbrechen beschäftigte und unmittelbar nach der Befreiung in deutschen Konzentrationslagern ermittelte. „Er hat also auf einem mir vertrauten Feld gewirkt und tut es noch immer. Ich kenne ihn seit Jahren. Nachdem er als US-Soldat einige befreite deutsche Konzentrationslager gesehen hatte, wurde er im Alter von 27 Jahren Chefankläger in dem berühmten Nürnberger „Einsatzgruppenprozess“ gegen 22 nationalsozialistische Massenmörder. Danach setzte er sich für deutsche Entschädigungsleistungen an jüdische Opfer ein, und schließlich schrieb er dicke Wälzer gegen den Angriffskrieg und für den Weltfrieden. In diesem Jahr ist der letzte noch lebende Ankläger von Nürnberg 100 Jahre alt geworden – und Ben zögerte auch in seinem hohen Alter nicht, Donald Trump während dessen Amtszeit die Stirn zu bieten und ihm entgegenzurufen, dass er als Präsident der USA dabei sei, eine große Tradition seines Landes zu verraten, indem er das Völkerrecht mit Füßen tritt. Diese Haltung imponiert mir!“

Dann ist die Lehrstunde mit dem weltläufigen Professor aus Rondorf zu Ende. Zurück bleiben viele nachdenkliche Gesichter. Give peace a chance!

EINER VON UNS: Peter Göckeritz

Er ist ein Urgestein des Kölschen Fastelovend: Immer, wenn am 11.11. um 11:11 Uhr die Willy Ostermann-Gesellschaft stimmungsvoll die neue Session mit tausenden Jecken mitten auf dem Heumarkt offiziell eröffnete, dann war Peter Göckeritz, der langjährige Senatspräsident, oben auf der Bühne mittendrin. Seit 20 Jahren war das so. Doch jetzt fällt das traditionelle Narrentreiben erstmals seit 50 Jahren aus. Wegen Corona. Und der Schunkelprofi aus Hochkirchen rät: „Bleiben Sie am besten zuhause. Ladet die Familie ein und summt vor dem Fernseher die alten und neuen Karnevalsschlager mit!“ 

Jedes Jahr im Winter geht es wieder los …. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Seit 1969 hat es sich die traditionsreiche Willy-Ostermann-Gesellschaft zur ehrenvollen Aufgabe gemacht, am 11. November pünktlich um 11:11 Uhr den Start in die fünfte Jahreszeit mitten in der Altstadt zu organisieren. Live im Fernsehen feierte hier das neue, aber erst designierte Kölner Dreigestirn, flankiert vom Stadtoberhaupt und dem Festkomitee Kölner Karneval, stets seinen ersten großen Auftritt. „Wenn man dann da oben auf der Bühne steht, sieht die bunte Menge und zählt von 10, 9, 8 runter bis zum Startschuss, dann ist das ein Gefühl, das man gar nicht beschreiben kann“, erzählt Peter Göckeritz von seinen glücklichsten Momenten. 

Letztes Jahr strömten 25.000 Jecke zu den Ostermännern, die ersten standen schon um sieben Uhr vor der großen Bühne. Dann kamen immer mehr, bis der beliebte Heumarkt am Vormittag wegen Überfüllung geschlossen werden musste. Acht Stunden lang sorgten nahezu alle musikalischen Größen der Stadt, mehr als 40 Künstler und Bands, für jecke Töne in voller Lautstärke. Alaaf, Schunkeln, Singen, Bützchen: Niemand kennt diese einmalige Stimmung besser als Peter Göckeritz. Denn mehrere Jahre war er als Geschäftsführer und bis dieses Jahr auch als Senatspräsident der Willy-Ostermann-Gesellschaft mitverantwortlich für diesen ersten großen Sessionshöhepunkt. 

Und wie traurig schaut er diesmal diesem Tag entgegen, da Corona die Veranstalter dazu zwingt, den Feierfreudigen zuzurufen: „Wer Karneval liebt, sollte in diesem Jahr am 11 im 11 zu Hause bleiben!“ Der Hochkirchener ist Realist. Feiern bei steigenden Corona-Fallzahlen? Das geht aus seiner Sicht gar nicht. Deshalb gilt an diesem Tag: Keine Zuschauer, kein Karnevalstourismus. Stattdessen heißt im Corona Jahr 2020 die traurige, aber klare Botschaft: Nach Köln müsst ihr gar nicht erst kommen, da läuft an diesem Tag nix. Dennoch wehrt er aufkommende Frustgefühle deutlich ab: „Ich glaube nicht, dass der Straßenkarneval jetzt stirbt, weil er einmal ausfällt. Das alles ist zwar nicht schön, aber die Welt bricht deswegen nicht zusammen!“ Statt der großen Party in der Innenstadt wird es am 11. November eine TV-Live-Sendung aus der Wagenbauhalle des Festkomitees geben. Der Fastelovend-Profi begrüßt diese Idee: „Das ist meines Erachtens das einzige, was man jetzt machen kann, um überhaupt etwas karnevalistische Luft zu schnuppern. Das muss dann eben für dieses Jahr genügen.“ Und für die Skeptiker schiebt er dann noch nach: „Die Idee, so den Karneval in die gute Stube zu bringen, ist super!“

Eines jedenfalls steht für Peter Göckeritz, Corona hin oder her, fest: Er will sich auch in den kommenden Monaten trotzdem den Spaß an der Freud nicht verderben lassen. Als er 60 Jahre wurde, hängte der gebürtige Thüringer seinen Job als Zentraleinkäufer im Lebensmittelhandel aus freien Stücken an den Nagel; endlich hatte er Zeit für seine närrische Passion. Seit 2006 ist der gelernte Kaufmann nunmehr in der Willy-Ostermann-Gesellschaft aktiv: „Denn für mich ist dieser Künstler, derjenige den ich am meisten mit Karneval und gleichzeitig mit dem Brauchtum verbinde. Er weckt in mir ganz besonders das Gefühl der Kölner Leichtigkeit“.

Immerhin: In fast dreißig Jahren schrieb Ostermann mehr als 100 Titel; viele davon wurden richtige Evergreens, die heute noch auch über die Grenzen Kölns hinaus bekannt sind. Sein „Heimweh nach Köln“ wurde zur „Hymne“ der Willi-Ostermann-Gesellschaft. „Das ist auch mein Lieblingslied. Und wenn dies regelmäßig am Ende aller unserer Veranstaltungen gesungen wird, dann haben viele Tränen in den Augen“, bekennt Peter Göckeritz freimütig.

Deswegen engagiert er sich ganz besonders dafür, das Liedgut dieses Heimatdichters, Sängers, Texters und Komponisten auch bei den jungen Karnevalisten wach zu halten. Dies begründet er so: „Sein Optimismus, der gerade durch die kölsche Sproch geprägt wird, hat den Menschen immer wieder Aufschwung gegeben und tut es auch heute noch.“ So entstand die Idee für den „Ostermann Liedpreis“. Er erzählt: „Das war mein Ding, mein größtes Projekt. Wir haben alle weiterführenden Kölner Schulen besucht und versucht, die verantwortliche Lehrerschaft zu begeistern, die alten Evergreens mit neuer Interpretation und eigener Kreativität zusammen mit ihren Schülerinnen und Schülern wieder auf die Bühne zu bringen.“ 84 weiterführende Schulen sowie Karnevalsgruppen beteiligten sich letztes Jahr an der Ausschreibung. Das Projekt wurde ein Erfolg. Selbst der Kölner Rapper Mo-Torres unterstützt es, ebenso wie das Kölner Festkomitee.

Peter Göckeritz kann viel erzählen über die großen und kleinen Geschehnisse rund um das jecke Kölner Volksfest, das er aus nächster Nähe miterlebt hat. Nicht zuletzt auch als Mitglied im Elferrat seiner Gesellschaft. Und was war sein schönstes Erlebnis? „Vielleicht, als ich erstmals am Rosenmontag auf dem Gesellschaftswagen mitfahren durfte.“ Doch dann korrigiert er sich mit einem verschmitztem Lachen: „Noch schöner war es im Elferrat, als mir unerwartet ein echtes Funkemariechen „zum bütze“ hochgereicht wurde.“ Mehr als 200 Orden bewahrt er heute in seinem schmucken Hochkirchener Eigenheim auf, wo er seit 1978 zuhause ist. Und welche Ehrung ist die wichtigste davon? Er zeigt auf den Wohnzimmertisch. Da steht die silbrig glänzende Willy-Ostermann-Statuette, die er als erster bekommen hat in Anerkennung seiner Verdienste um die ehrenwerte Frackgesellschaft mit ihren 220 Mitgliedern. „Der Senat ist das Herzblut der Gesellschaft. Er muss die positiven Impulse schaffen!“, beschreibt er sein weit gestecktes Aufgabenprofil als langjähriger Senatspräsident. 

Doch der Karnevalsaktivist ist niemand, der nur verklärt zurückblickt. Im Gegenteil: Der Fastelovend-Veteran verteidigt vehement die heutige, von manchen arg kritisierte Karnevals-Szene: „Wenn manche sagen, früher war der Karneval schöner, ist das Quatsch. So viel hat sich irgendwie gar nicht verändert. Es liegt viel eher im Auge des Betrachters und Alters, wie ich Karneval wahrnehme und feiere. Alles hat seine Zeit!“ Das ist seine Devise. Oder auch: „Die Gedanken sind frei!“ Was er sich für die Zukunft wünscht? „Unser Karneval lebt vor allem aus dem Leben im Veedel. Das müssen wir pflegen. Und die Schulen, die mitmachen, sind wichtig!“ Aber er hat auch eine große Sorge: „Wenn es immer weniger Kneipen gibt und kaum noch geeignete Veranstaltungssäle für unsere Vereine, dann wird das mit dem Gemeinschaftserlebnis Karneval schwierig!“

Dennoch denkt Peter Göckeritz nicht ans Aufhören: „Ich bleibe in der Willy-Ostermann-Gesellschaft aktiv bis zu meinem Ende“, lautet sein Treuebekenntnis. Und wenn er dennoch mal Abwechslung braucht, dann bleibt ihm ja der Golfsport. Darauf ein dreifaches „Ostermann Alaaf!“. 

Einer von uns: Sead Licina

„Unser Veedel braucht bessere Pflegeangebote!“

Morgens um sechs hat er meist schon seinen ersten Einsatz. Denn die ambulante Pflege von Patienten fragt nicht nach der Uhr. „Menschlichkeit erleben“ ist für Sead Licina Alltag. So hat der Hochkirchener mit „Virtus“ einen der erfolgreichsten Pflegedienste in der Kölner Region aufgebaut. Er gilt als Pionier einer Gesundheitsbranche im Umbruch. Jetzt macht er sich vor allem Gedanken über bessere Betreuungsangebote für die wachsende Zahl der Senioren in unserem Veedel.

Sein Vater lag im Krankenhaus. Bei den regelmäßigen Besuchen lernte Sohn Sead das pflegerische Personal dort kennen, kam mit den Mitarbeitern ins Gespräch; mehr und mehr faszinierten ihn deren wertvolle Leistungen in der Betreuung der Patienten. Für Fragen rund um die Gesundheit hatte sich der kräftige junge Mann, mehrfacher Deutscher Meister in Taekwondo, eigentlich schon immer interessiert. Deshalb wollte er nach seinem Abitur Medizin studieren und die Wartezeit bis dahin mit einer Ausbildung zum Krankenpfleger sinnvoll nutzen. „Durch die Aufenthalte in der Klinik spürte ich dann immer mehr mein Talent, gerade mit kranken oder gebrechlichen Menschen gut umgehen zu können“, schildert er seine Motivation.

So gründete Sead Licina mit 23 Jahren seinen ersten eigenen Pflegedienst in Arnsberg mit sechs Standorten und sechs Sanitätshäusern im Hochsauerlandkreis. Das Unternehmen wuchs rasant an, es wurde eines der gefragtesten Pflegeunternehmen in der Region. Der Gesundheitsmanager sammelte danach weitere Erfahrungen in der freien Wirtschaft; als Berater war er u.a. verantwortlich für ein Unternehmen mit mehr als 1600 Mitarbeitern und 250 Führungskräften an 34 Standorten bundesweit.

Dann kam wieder eine Wende in seinem Leben: Als seine Frau Zwillinge bekam, wollte er privat mehr Zeit haben und trat beruflich kürzer. Doch seine Profession holte ihn bald wieder ein. Mit zwei Partnern gründete er im September 2012 die „Virtus Pflegedienste“; so fasste der Mann aus dem Sauerland beruflich wie privat in Hochkirchen Fuß. Tag für Tag koordiniert er seitdem von der Rodenkirchener Straße 79 aus mehr als 150 Einsätze: Gestaltung des Pflegealltags, Wohnumfeldberatungen, Pflege in all ihren individuellen Bedürfnissen von der medizinischen und pflegerischen bis zur postoperativen Nachsorge. Das komplette Programm. 

Das Telefon steht kaum still. Der Notdienst läuft 24 Stunden rund um die Uhr. Doch Sead Licina empfindet jedes Mal aufs Neue eine große innere Befriedigung, wenn er irgendwo professionell helfen kann. Am meisten erfüllt ihn die gemeinsame Zeit vor Ort mit seinen Patienten. „Wenn ich nach einem Besuch aus dem Zimmer herauskomme und sehe, dass ich etwas Gutes erreicht habe, macht mich das glücklich“, sagt er bescheiden, aber dankbar.

Man spürt, die Aufgabe liegt ihm. „Oftmals ist es nur der stumme Blick des Gegenübers, der mir klar sagt, was er möchte“, berichtet er von seinen Erfahrungen als Geschäftsführender Pflegedienstleiter. Die letzten Monate waren besonders hart. „Die Herausforderungen durch Corona haben mein gesamtes Team schon sehr belastet“, gibt er zu. „Aber wir hatten in der ganzen Zeit nicht einen einzigen Infektionsfall“. Aufgrund der hohen Anzahl der Einsätze ist das keine Selbstverständlichkeit, betont er. Denn sein Anspruch ist nicht weniger als „eine selbstbestimmte und persönliche Lebensführung unserer Patienten, ihre Teilnahme am Gemeinschaftsleben wo immer möglich“. Er kooperiert mit Ärzten, Therapeuten, Krankenhäusern in der gesamten Region zur Steigerung von Lebensqualität und Wohlbefinden der Pflegebedürftigen. Heute gehören 45 Mitarbeitern an zahlreichen Standorten in Köln und dem Umland zu dem „Virtus“-Team.

Doch längst denkt der heute 45jährige über den Alltag hinaus. Aktiv arbeitet er daran mit, das Berufsbild der pflegerischen Berufe attraktiver zu machen und auf die Zukunft auszurichten. Hierüber hat er mehrere Fachartikel geschrieben. Er ist als Experte in zahlreichen Gremien der Gesundheitspolitik ein gefragter Gesprächspartner. Dann der nächste große Schritt: 2016 gründete Sead Licina mit der „VS Virtuals Akademie GmbH“ sogar eine eigene Weiterbildungsakademie, die in Deutschland ebenso einzigartig wie international vorbildlich ist: Sie bildet Pflegeberufe mit modernen digitalen Lehrmethoden weiter auf der Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse aus internationalen Spitzenuniversitäten. Hier gibt es nicht nur Kurse, sondern auch eine vollumfängliche dreijährige Ausbildung bis zum Abschluss. Unter Einbezug der eigens programmierten Lernsoftware ist es den Teilnehmern möglich, die Lernzeit individuell zu gestalten. Er schmunzelt: „Alle reden in Corona Zeiten von digitalem Lernen. E-Learning Plattformen sind aktuell gefragt wie nie zuvor. Viele versuchen nun, digitalen Unterricht aus dem Boden zu stampfen. Aber wir haben damit als erste angefangen und haben deshalb auch die meiste Erfahrung!“ Seine Partner sind Kliniken, Altenpflegeheime oder ambulante Dienste.

Und was ist seine Ambition dabei? „Wir wollen die Pflegeberufe für junge Menschen attraktiver und interessanter machen“, wirbt er. „Die älter werdende Gesellschaft verlangt neue Antworten. Wir möchten, dass jeder unserer Mitarbeiter oder Kursteilnehmer aus ganz Deutschland sein volles Potential entfalten kann“. Deshalb wird das Spektrum der beruflichen Aufgaben immer breiter: „Es reicht vom Gesundheits- und Krankenpflegeassistenten oder der Assistentinnen über den Alltagsbegleiter oder die Mediatorin bis zum Datenschutzbeauftragten mit dem Schwerpunkt Pflege und den vielfältig spezialisierten examinierten Altenpflegern“, zählt er Beispiele und Trends auf. Dass auch immer mehr junge Männer dieses Berufsfeld für sich entdecken, ist ihm wichtig.

Inzwischen genießt das Lernmodell der VS Virtuals Akademie hohen Zuspruch auf politischen Ebenen. Der diplomierte Pflegewirt aus Hochkirchen begrüßt das neue Denken in der Gesundheitspolitik: „Die anstehenden Reformen im Pflegebereich können eine große Chance sein – wenn wir jetzt die richtigen Schritte auch konsequent gehen!“.

Sead Licina, der sich auch im lokalen Sport in Hochkirchen und Rondorf engagiert, macht sich viele Gedanken. „Warum gibt es in unserem Veedel keine Angebote für die Bedürfnisse unserer Senioren? Unsere Bürger werden immer älter. Aber wo sind Plätze für die Kurzzeitpflege? Warum fehlt ein modernes Seniorenhostel? Wer plant für unser wachsendes Wohngebiet altersgerechte Wohnungen mit den dazu gehörenden pflegerischen Leistungsangeboten?“ In diese Aufgaben möchte der erfahrene Pflegepionier gerne seine Erfahrungen einbringen. Ideen hat er viele. Und offenbar auch die notwendige Energie, das in die Tat umzusetzen. Denn seine Devise gegen den Pflegenotstand heißt: „Menschlichkeit erleben!“ Mehr Infosinfo@virtus-pflegedienste.de. Tel. 02233/ 605 1914

Einer von uns: Guido M. Schmitt

Der Duft der großen weiten Welt. 

Sie möchten Ihre ganz persönliche und unverwechselbare Duftnote kreieren? Guido M. Schmitt, der kreative Kopf der renommierten Kölner ars Parfum-Manufaktur, verwirklicht diesen Traum. Der SÜDBLICK hat ihn in seinem eleganten neuen Studio in Rondorf besucht. Die liebevoll restaurierte Anlage in einem ehemaligen Bauernhof soll künftig auch als inspirierende Begegnungsstätte für Parfum- und Beautyfreunde sowie Kulturinteressierte dienen.  

Hinter dem Haus duftet es auf kleinen Beeten verführerisch nach Lavendel, Rosmarin, Rosa Centifolia und englischen Duftrosen, den Blüten der Osmanthus; Thymian neben Blaubeeren, dazwischen auch ein Mandelbaum. Hier beginnt die Welt des Mannes, der sich selbst ein „Unikat“ nennt. Guido M. Schmitt entstammt zwar einer weitverzweigten hundert Jahre alten Kölner Parfumfamilie, die schon in der dritten Generation für ihre vielfältigen Mixturen aus wohlriechenden Essenzen und Aromen berühmt ist. „Aber“, so klärt uns der 59jährige gleich darauf, „ich bin kein gelernter Parfumeur im klassischen Sinne; ich bin eher ein innovativer Erfinder, der die Strahlkraft der Parfumwelt immer wieder neu entfalten möchte!“ Also ein Parfum-Pionier, immer auf der Suche nach Inspiration und Innovation. „Das kreative Schnellboot der Parfumbranche“ nennt er sich selbst nicht ohne Stolz.        Und setzt dann noch eines drauf: „Düfte sind meine Leidenschaft – meine ganz individuelle DNA“. 

Mit seiner feinen Nase hat er es weit gebracht. Seine Produkte stehen längst in den vorderen Regalen fast aller großen Drogerie- und Parfumunternehmen. Als etwa die populäre Influencerin Shirin David am Valentinstag 2017 ihre Follower einlud, gemeinsam eine neue Duftnote mit ihr online über einen Persönlichkeitstest zu entwickeln, kreierten Hunderttausende Fans dieses erste Shirin David Parfum. Fast 70.000 der begehrten Fläschchen gingen schon in den ersten Tagen bei dm über die Ladentische. Eine Weltsensation war entstanden, der – online kreierte – damals bestverkaufte Damen-duft. Und einer weiteren jungen Influencerin, Sängerin und Schauspielerin Julia Beautx kreierte er passend zu ihren Songs „Love“ und „Dance“ ihre eigene Parfummarke. Hier entschieden online sogar 5,5 Millionen Stimmen, welcher Duft bei den Rossmann Drogerien gelauncht wird. Der Siegersong auf Youtube, Tiktok, u.a. von Julia Beautx „Love“ erhielt 2.8 Mio. Stimmen. 

Für die Fußballweltmeisterschaften 2006 FIFA World Cup und 2014 FIFA World Cup lieferte Guido M. Schmitt als exklusiver Lizenznehmer der FIFA die originalen WM-Parfums. Das Sommermärchen 2006 beduftete er damals exklusiv in Deutschland mit Douglas. Aber es sollte noch besser kommen: „Mit meinem orientalisch-würzigen Herrenwasser 2014 FIFA World Cup wurde die deutsche Elf in Brasilien Weltmeister!“ freut er sich noch heute über seinen Coup. So haben immer neue Eigenkreationen, weltweit erfolgreiche Lifestyle- und exklusive Marken-Düfte für Handel, Mode, Sport und Fashion den Rondorfer und seine international vernetzte Manufaktur berühmt gemacht. In wenigen Wochen wird eine weitere große Premiere gefeiert: Im Oktober startet eine völlig neuartige Damen- und Herrenlinie im Handel in Zusammenarbeit mit dem Modeschöpfer Wolfgang Joop unter dem Label LOOKS by Wolfgang Joop.         

Die Fantasie des gebürtigen Kölners kennt schier keine Grenzen. In den berühmtesten Traditionshäusern der Welt hat der Duftcréateur von der Pike auf 30 Jahre lang Erfahrungen sammeln können. Heute dirigiert er ein kompetentes und engagiertes Team, das gemeinsam die Leidenschaft für Parfums und Beauty täglich lebt. Das elegant ausgerüstete Parfumlab mit Beautylounge hält Hunderte von Duftstoffen vor, die das gesamte Spektrum der Duftstoffe und Aromen und Essenzen abbilden. Darunter befinden sich Rose oder Meeresbrise, aber auch Gurke, Schokolade, Fichte, Leder und Weihrauch. „Da lassen sich mühelos mehr als 20 Millionen neuartige Kreationen und Mischungen herstellen. Jeden Tag entdeckt unsere Parfumeurin hier etwas Neues“, begeistert sich der Meister der edlen Gerüche bei einem Rundgang durch sein Ambiente. „Bei jungen Menschen sind zumeist fruchtige Düfte mehr im Trend, Ältere stehen mehr auf einer Melange floraler, aromatischer und orientalischer Elemente oder begeistern sich gar für exklusive Nischenkreationen“, hat er beobachtet.

Für seine Privatkunden, Modedesigner, Influencer, Handelspartner arbeiten Parfumeure in New York, Paris, Sao Paolo, Shanghai und München. Aber er selbst ist in Rondorf zuhause und auch hier befindet sich sein eigenes fast 400 Quadratmeter großes Parfum-Atelier. Noch ist nicht alles ganz fertig. An der Lichttechnik wird noch gearbeitet; kleine Details bei Design und Ausstattung sind Schmitt wichtig. Die Arbeitsatmosphäre muss stimmen. Und weil er hier gerade an seinem wohl größten Traum arbeitet, wird auch der bisherige Firmenname „ars Parfum Manufaktur“, unter dem er sich 1996 selbständig gemacht hat, demnächst einem neuen Markenbegriff weichen. Dann wird aus dem schmucken gläsernen Atelier die „Parfumlovers Cologne“.

Ab Frühjahr kommenden Jahres soll hier nämlich in großem Stil das ganz und gar individuelle Parfum für jeden kreiert werden. Denn der gewiefte Marktkenner hat erkannt: Die Kunden von heute sind mit der Inflation neuer Parfums und der Suche nach dem für sie perfekten Duft überfordert. Sie suchen nach Individualität und sind oft überfordert mit dem Angebot in Drogerien oder Parfümerien, wenn sie sich selbst oder ihrer Freundin eine Freude machen wollen. Doch Dutzende von Aromen, hier ein Flakon, da ein Spray, dort ein dezenter Tupfer auf die Hand, lassen sie rasch ratlos werden; denn ihr Gehirn macht schon nach der konzentrierten Aufnahme von wenigen Gerüchen schlapp. Und dann? Dann geht man oftmals ohne wirklich überzeugendes Ergebnis wieder aus dem Laden. Enttäuscht oder verunsichert. 

Das will Guido M. Schmitt jetzt gründlich ändern. Die Suche nach der persönlichen Duftnote soll die Liebhaber des Besonderen künftig statt in irgendeine Boutique in seinen leicht versteckten, aber romantischen und stilvollen Altbau im Kölner Süden locken. Hier in Rondorf residiert er seit letztem Dezember als eine der äußerst rar gewordenen individuellen Spürnasen der Branche; denn es gibt gegenüber all den internationalen industriellen Herstellern nur noch sehr wenige handwerkliche Produzenten, die es verstehen, das Parfum mit der jeweils höchst persönlichen Note zu komponieren.

Und genau diese revolutionäre Idee soll ab dem kommenden Jahr neue Wirklichkeit werden – unterstützt von fleißigen Algorithmen. Die Testphase für das neue „Scentist 2.0“ startet im Herbst. Doch auch schon jetzt mischt der erfahrene Kreateur exklusiv aus Duftstoffen, Aromen und ätherischen Ölen jeweils eine ganz individuelle Rarität für eben all jene Parfumliebhaber von Hand ab, die schon immer ihre ganz eigene wow- Komposition genießen wollten. Egal ob eine sinnliche Damennote, ein erfrischender Herrenstil oder eine flexible Unisex-Mischung – bei Guido M. Schmitt soll jeder ganz seiner wohlriechenden Leidenschaft frönen können. Das ist seine Vision: „Düfte sind ein wahres Elixier für die Sinne. Sie können berauschen, Stimmungen und Gefühle freisetzen. Sie geben der persönlichen Aura ihre unverwechselbare Note! Und das wird bei uns bald Wirklichkeit“ lautet seine nächste große Ambition. Für diesen Schritt weg von der netten, aber beliebigen Massenherstellung hin zu einem Produkt, das ganz dem eigenen Stil des Kunden Rechnung trägt, hat er bereits eine hochtalentierte Mitarbeiterin aus Persien angeworben, die sich in der Welt der Aromen ebenso souverän auskennt wie mit künstlicher Intelligenz (KI). Denn um die Kombination von beidem geht es.  

Seit fünf Jahren arbeitet Guido M. Schmitt in mühevoller Detailarbeit an seiner Idee einer Duftmarke, die perfekt auf die persönlichen Vorlieben seiner Klientel abgestimmt ist.  Wie diese Parfuminnovation möglich ist? Nur so viel sei hier verraten: Ein feinsinnig ausgetüftelter Fragebogen in der Form eines speziell entwickelten, bilderbasierten Persönlichkeitstests hilft dem Kunden, sich selbst genauer kennenzulernen, seine geheimen Wünsche herauszufiltern.  Das Ziel ist nichts weniger als ein Premiumprodukt aus langjährigem Parfumeurshandwerk und modernster Computertechnologie – „abgestimmt auf Kunden, die ihren ganz eigenen und unverwechselbaren Stil verwirklichen möchten“. Fachleute zeigen sich jetzt schon begeistert von dieser Revolution. Der Herr der tausend Düfte weiß aber auch: „Der persönliche Duft ist kein Wunschkonzert. Entscheidend ist, wer ich bin. Parfum und Mensch müssen in den charakteristischen Merkmalen zusammenpassen. Wenn es gelingt, heimliche Vorlieben und Sehnsüchte harmonisch zu verbinden, das gesamte Wesen zu berücksichtigen, gelingt tatsächlich eine ganz exklusive Eleganz“. 

Diese besorgt dann das parfumistische Mastermind „THE SCENTIST“ (www.thescentist.com) und die hinterlegten Algorithmen. Denn aus den Bildantworten komponiert das System eine gekonnte Mischung aus Akkorden, Duftölen, Aromen mit dem berühmten „I-Tüpfelchen“. Das einzigartige Duftgemisch wird dann noch von der Parfumeurin geprüft und dann endlich ist auch der Chef der „Parfumlovers“ zufrieden. „Denn es sind die kleinen Geheimnisse, die die Aura einer Persönlichkeit ausmachen!“ lacht er. So entstehen in der Rondorfer Manufaktur hochwertige Parfums aus vielfältigen Duftstoffen und reinen Naturextrakten, die mit hundert Prozent veganer Fertigung überzeugen – stilvoll und ästhetisch verpackt in einem eleganten Flakon, mit Etikett, individuellem Code und Zertifikat in einer hochwertigen Metallbox. 

Doch die Räumlichkeiten im Kölner Süden sollen künftig noch mehr bieten:  Workshops zum Beispiel für Parfuminteressierte, die bei der Kreation selbst mitwirken wollen. Exklusive Parfumseminare und Events. Gepflegte Begegnungen für ausgesuchte Weine, Rum-, Gin- oder Whisky-Tastings. Aber auch bieten die Räume Platz für Kunst in der Galerie und besondere Treffen im Freundes- und Bekanntenkreis – die Rondorfer Parfum-Manufaktur „Parfumlovers Cologne“ als Ort der puren sinnlichen Freude für Genießer.     

Guido M. Schmitt also der perfekt dufte Typ? Nein, dieser Joke wäre zu banal. Er ist viel eher einer der letzten Magier, die es verstehen, den Duft der großen weiten Welt immer wieder neu in die Flasche zu zaubern. Für jede und jeden nach persönlichem Geschmack. Willkommen also in der wunderbaren Welt der Düfte und Kosmetikprodukte von Rondorf!

Mehr Infos:  www.parfum-lovers.com

EINER VON UNS: Burkhard Bechtel

Auch wenn die Formel Eins jetzt wieder an den Start geht: Für den Rennsportexperten Burkhard Bechtel ist seit der „Corona-Krise“ nichts mehr so wie es war: „Es gibt Dinge, die sind wichtiger als mit Vollgas über die Kerbs des Lebens zu ballern oder als Erster ins Ziel zu kommen“. Dies sagt ein Mann, der immer gerne Vollgas gibt. Denn Burkhard Bechtel aus Hochkirchen ist Stimme und Produzent des populärsten Markenpokals im deutschen Rennsport. Seit 30 Jahren liefert er rund um die Welt die Livebilder und Reportagen des Porsche Carrera Cup Deutschland. Doch jetzt heißt es für ihn plötzlich: Boxenstopp. 

Burkhard Bechtel ist es gewohnt, mit seinen mehr als 30 OnBoard-Kameras immer hautnah dran zu sein an den heißen Reifen des rasanten Porsche 911 GT3 Cup. Egal ob Frontlippe, Spiegel oder Heckspoiler – die kleinen Kameras verfolgen live jede kleinste Drehung auf dem Asphalt. Ob aktuelle TV-Bilder und Livestreams, spannende Instagram-Stories, schnelle Facebook-Posts, Infos per Twitter oder YouTube – hinter allem steht „bbe“, so sein Kürzel. „Wir liefern alles rund um das Renngeschehen bis hin zu spannenden Hintergrundberichten aus dem Fahrerlager“, erzählt er im SÜDBLICK-Gespräch. Im letzten Jahr kamen so mehr als 100 Videos für die verschiedensten Kanäle zustande. Kaum eine Social-Media-Plattform, auf der er nicht präsent ist. Die wachsende Popularität der Rennserie ist nicht zuletzt sein Verdienst. Der Startschuss fiel 1990 im belgischen Zolder. Mehr als 300 Rennen wurden seitdem ausgetragen. 

Aber jetzt ist plötzlich „Boxenstopp“ für den Rennzirkus. Corona legt selbst die schnellsten Männer der Welt lahm. Und jetzt? Wie geht es weiter? „Im Augenblick schlicht und einfach gar nicht. Die Welt der großen Sportereignisse ist nahezu komplett zusammengebrochen; und die des Motorsports nahezu restlos“, bilanziert der 64-Jährige. Und wie verändert dies alles seinen Blick? Auch hier kommt ein klares Bekenntnis: „Ganz deutlich! Dreißig Jahre lang hat der Rennsport das Leben meiner Familie und meins nahezu komplett in Beschlag genommen. 24 Stunden an sieben Tagen die Woche war von März bis Oktober unser Arbeitsrhythmus. Plötzlich muss ich nun zwangsweise erkennen, dass der Motorsport nicht der Nabel der Welt ist“. 

Doch haben dies alle sofort verstanden? „Auf gar keinen Fall. Es gab viele Kollegen, die das eher harmlos gesehen haben. In vier Wochen fahren wir wieder! war zum Beispiel ein immer wieder gehörter Satz. Mittlerweile ist aber wohl jedem Kollegen klar, dass sich unsere TV-Welt vermutlich auf Monate, wenn nicht sogar Jahre verändern wird“, sagt der Sportkenner ganz offen. Um die Zukunft macht er sich deshalb große Sorgen: „Rennfahren ist letztendlich auch ein Beruf, bei dem das sportliche wie das wirtschaftliche Ergebnis stimmen müssen. Fahrerinnen und Fahrer müssen von den Einnahmen des Sports leben. Für sie alle beginnt gerade eine neue Welt“.

Und das gilt aus seiner Sicht für alle großen Sportereignisse – egal, ob Bundesliga, Olympische Spiele, Europameisterschaften. Denn: „Sport ist Emotion. Sport braucht die Menschen, die ihnen vor Ort live zujubeln. Das ist so wie bei Künstlern auf der Bühne und deren Applaus. Sport ohne Fans wird mittelfristig in der Form wie wir ihn kennen, nicht funktionieren“, sagt der langjährige Sportreporter und denkt dabei zugleich auch an den Amateursport: „ Auch die Kreisklasse des Fußballs braucht die Zuschauer, die begeistert live dabei sind“.

Wie groß also wird der Rückschlag für den Spitzensport sein? Bechtels Prognose ist voller Skepsis: „Sehr groß. Da werden nicht nur sportliche Karrieren nicht mehr weiter fortgeführt werden, sondern ich sehe vor allem ein Problem in der sich ändernden Betrachtung auf Nachwuchsförderung und Unterstützung von Talenten. Die Frage der nächsten Jahre lautet schlicht und einfach: Wird das Geld noch da sein, um hier zu unterstützen?“

Burkhard Bechtel kennt dies alles aus eigener Erfahrung. Denn er ist früher selbst Rennen gefahren, mit einem akzeptablen Erfolg, „der mir und meiner Familie finanziell allerdings vieles abverlangt hat. Ich habe mir dann mal im Scherz geschworen, dass ich mir jeden Groschen wiederhole. Das hat zum Glück funktioniert.“

Seine Erfahrungen gibt er inzwischen gerne weiter. Mit seinem Wissen und seinem Knowhow schult er regelmäßig junge Rennfahrer. „Für mich ist es ein echter Kick, junge Leute vom „no name“ zum Spitzensportler zu begleiten. Michael Schumacher war und ist für mich ein solches Beispiel. Ich habe ihn von seinen allerersten Schritten im Automobilrennsport bis zum Einstieg in die Formel 1 begleitet und dort auch immer wieder getroffen. Ein bemerkenswerter Weg eines großen Sportlers, vor dem ich mich nicht tief genug verneigen kann“.

Doch nunmehr muss Burkhard Bechtel lernen, dass die Devise des Sports höher, schneller, weiter „mehr oder weniger zur Bedeutungslosigkeit wird, dass nun ganz andere Themen zu den alles Beherrschenden des Lebens werden“, wie er es ausdrückt. „Gesundheit, Solidarität, das Einstehen für den oder die andere sind plötzlich viel wichtiger, als mit Vollgas im Kreis-Herum-zu-fahren. Die Einsicht bringt uns gerade bei, dass Leerlaufdrehzahl plötzlich ganz viel Sinn macht“, lautet seine aktuelle Erkenntnis. Und er formuliert sein neues Leitmotiv so: „Wir brauchen nicht die schnellste Linie vom Start zum Ziel, sondern die sicherste“. 

Auch wenn der passionierte Anhänger schneller Rennen in den letzten Wochen gemerkt hat, dass Motorsport nicht der Nabel der Welt ist, so bleibt doch seine Hoffnung: „Eines Tages möchte ich schon dabei sein, wenn die Räder wieder ihre Runden drehen“. Und so wartet er auf die Zeit danach; auf die Zeit, in der Motorsport wieder Sinn machen kann. Und seine 30 OnBoard Kameras wieder nur ein Ziel kennen.

Bis dahin betreibt er virtuellen Rennsport, „weil ich fest daran glaube, dass das wohl auch ein Teil unserer Zukunft werden wird. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass ich in den nächsten Jahren in der kurzen Hose in Hochkirchen auf der Couch sitzen werde, um ein Rennen zu kommentieren, zu dem sich gerade Sportler aus der ganzen Welt per Rennsimulator zugeschaltet haben.“

Ach ja, und wie kam der Vielgereiste zu seiner Couch in Hochkirchen? Er erzählt: „Erst bin ich ein wenig durch die Kölner Veedel getingelt“. Dann blieb er 1990 hier hängen. „Ein bemerkenswerter Stadtteil, den ich nicht mehr missen möchte. Er erinnert mich ein wenig an meine alte Heimat, das Siegerland, allerdings offener und mit einem deutlicheren Miteinander. Mit gefällt hier der leicht dörflich geprägte Charakter. Jeder kennt jeden, man hilft sich, ist freundlich im Umgang. Die offene Lebensart erleichtert das Leben hier sehr. Und dann gibt’s noch den Riesenvorteil, dass mein Hund und ich spätestens nach fünf Minuten auf unserer Runde irgendwo im Grünen sind“, lacht er. Und bricht auf zur nächsten Runde. Ganz ohne PS. „Vielleicht aber dann demnächst doch wieder mit Motorkraft“, merkt er noch an. „Ab Mitte August soll es auch bei uns im Motorsport wieder losgehen.“

EINER VON UNS: Frank Dünzl

Er ist Globetrotter in Sachen Fotografie – gleich ob Hochzeitsbilder auf Bali, Tokio bei Nacht, eine Sommerreportage im kalifornischen San Diego. Frank Duenzl aus Hochkirchen hält solche Motive mit einfühlsamem Kameraauge professionell fest. Kein Ort ist ihm dafür zu weit oder zu ungewöhnlich. Besonders gern begleitet der 54jährige Paare beim Ja-Wort für ein Leben zu zweit. Egal wo. Denn das sind für ihn Momente für die Ewigkeit. Dem SÜDBLICK hat er seine schönsten Erlebnisse erzählt.

Am liebsten ist Frank Dünzl auf der Suche nach außergewöhnlichen Bildern und spektakulären Aufnahmen mit dem Fahrrad unterwegs. „So sehe ich einfach mehr, kann genauer beobachten“, ist seine Erfahrung. Beispiel Japan, die Sprache dort spricht er fließend. Er will Locations ausfindig machen, wo er abseits der Tourismuszentren Geishas treffen kann, jene charmanten, geheimnisvollen Frauen, die traditionelle japanische Künste darbieten, aber leider eher zurückhaltend sind, wenn sich neugierige Fotografen nähern.

Vier Wochen ist der gebürtige Kölner unterwegs. Dann hat er Glück. In Gion, einem der malerischsten Stadtteile von Kyoto, gelingt es ihm, zwischen engen Gassen und Teehäusern im typischen Stil des Landes mit einer der Unterhaltungskünstlerinnen und ihrer Schülerin ins Gespräch zu kommen. Es entstehen schließlich perfekte Bilder in einer unglaublichen Atmosphäre: Stimmungen bei Nacht und im Regen, ein Farbenspiel von einmaliger Faszination. „Glück gehört einfach dazu“, freut sich der Kameramann aus Deutschland. Diese Fotos wurden später Teil einer großen Ausstellung, die er 2013 anlässlich des 50. Geburtstages der Städtepartnerschaft zwischen Kyoto und Köln realisieren durfte. 

Frank Dünzl liebt es, Personen in ganz besonderen Situationen aufzunehmen, „denn ich glaube, ich kann gut mit Menschen so umgehen, dass sie möglichst entspannt sind.“ Den richtigen Moment zu erfassen, die entscheidenden Augenblicke zu treffen, das ist seine Mission. Egal, ob er im Auftrag einer Presseagentur unterwegs ist, für ein Event gebucht wird, für ein Lifestyle-Magazin oder er sich der Fine Art widmet. „Es kann aber auch ganz einfach der Mensch von nebenan sein. Ich halte die vergänglichen Momente des Lebens im Bild fest, und zeige den Menschen im Kontext seiner Umgebung, seiner Arbeit und seiner Kultur“. 

Und das sind bei ihm vorzugsweise Paare am glücklichsten Tag ihres Lebens. Wie viele Hochzeiten er schon in seinen Bildern festgehalten hat, weiß er nicht mehr ganz genau. Aber einige Termine bleiben besonders fest in Franks Erinnerung. Wie jene romantische Strandhochzeit auf Bali, die allein schon durch ihren überaus reichen und außergewöhnlichen Blumenschmuck wirkte wie aus dem Poesiealbum gemalt.

Es gab aber auch schon skurrile Situationen. Da wartete ein Termin in Los Angeles auf ihn. Der Hochzeitsfotograf vom Rhein war extra von einem amerikanischen Paar engagiert. Alles läuft bestens. Alle sind höchst zufrieden. Nach dem offiziellen Teil beginnt das Fest. Musik erklingt. Aber was ist da zu hören? Statt amerikanischen Klängen ertönen Schlager Made in Germany aus den Lautsprechern. Ausgerechnet die Münchner Gruppe „Dschingis Khan“ mit ihrem Ohrwurm „Moskau“ hatten sich die frisch Vermählten als Wunschlied ausgesucht. Frank, der weddingshooter, kann darüber noch heute schmunzeln.

Er erzählt: „Früher konnte ich mit solchen Anfragen eher wenig anfangen. Ich fand Hochzeitsbilder eher kitschig und auch langweilig“. Doch dann führte ihn ein Urlaub nach San Diego in Kalifornien. Die Wellen des Pazifiks lockten ihn, er beschloss, dort zu bleiben und „America’s Finest City“ mit dem angenehmen Klima zu seiner zweiten Heimat zu machen. Dort beobachtete er ziemlich bald, wie Amerikaner aus Hochzeiten mit sehr viel Kreativität ganz besondere filmische Ereignisse machten. „Das hat mich inspiriert, ebenfalls in diese Richtung zu gehen. Dabei habe ich im Laufe der Zeit meine eigene Bildsprache entwickelt“, schildert er seine Erfahrungen. Er hat den Schritt nicht bereut. Und seitdem ist er Weltreisender als Fotograf in Sachen Liebe. „Wenn man als Fotograf erstmal Gefallen an der Hochzeitsfotografie gefunden hat, kann man sogar weitaus schönere Bilder als bei einem Mode-Shooting machen“, ist seine Erfahrung.

Wie es ihm gelingt, den Verliebten beim Fotoshooting immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern? Da verrät er einen kleinen Trick: „Ist mir eine Aufnahme gut gelungen, dann lächele ich freudig und blinzele zufrieden unter meiner Kamera den beiden zu. Und dann kommt fast immer spontan ein ebenso fröhliches Lächeln zurück!“

Von Schnappschüssen über total posierte Bilder, Arrangements mit Blumen, Luftsprüngen, rennenden Brautpaaren, Aufnahmen mit bombastischen Schlössern im Hintergrund oder einfach nur kitschigen Bildern mit oder ohne Sonnenuntergang können seine „Stars für einen Tag“ alles von ihm haben, was sie wollen: Schwarz/Weiß, Farbe, oder Retro. 

„Ich bemühe mich immer, das Beste aus dem portraitierten Menschen herauszuholen“, lautet die Devise des gefragten Kameraprofis. Er macht alles, um diese Personen im Mittelpunkt gut aussehen zu lassen. Moderne Technik tut dabei ein Übriges. Seit die Dunkelkammer digital geworden ist, verbringt er etliche Stunden vor dem Computer, um die Bilder am Monitor zu optimieren. Vielleicht wird eine DVD daraus, ein Video für Facebook oder YouTube. Alles ist möglich.

Doch momentan arbeitet Frank aus Hochkirchen wieder an einer ganz neuen Idee: Einem Kunstprojekt, für das er noch die passende Galerie sucht. Thema ist ‚Neon Metropolis‘ – Nachtaufnahmen von Tokyo, neonglänzende Regennächte, inspiriert von dem Film-Klassiker ‚Blade Runner‘ und ‚Ghost in the Shell‘. So viel Abwechslung zwischen all den Hochzeitsfeiern muss dann doch mal sein. Mehr Infos: https://www.koeln-hochzeitsfotos-deluxe.de; https://www.shunkan.org/kyoto_japan_exhibition.html; https://www.shunkan.org