Meine Straße: Kapellenstraße – wo Rondorf einmal begann

Sie ist die älteste Straße im Ort – und dort entsteht in den kommenden Jahren auch ein wichtiges Stück städtebaulicher Zukunft: Die Kapellenstraße. Nicole Kämpken hat diese historische Ecke schon vor Jahren für ihre Familie entdeckt und lieben gelernt. Im SÜDBLICK schreibt sie ihre ganz persönliche Beziehung dazu.

Seit gut 25 Jahren ist die Kapellenstraße jetzt schon „meine Straße“, aber eigentlich sollte ich besser sagen: ist der Johannishof meine Heimat geworden. „Unser“ Hof ist der oberste der großen Hofanlagen an der Kapellenstraße, direkt gegenüber der Tankstelle. Eigentlich liegt hier tatsächlich das historische Zentrum Rondorfs. 922 schenkte Erzbischof Hermann I. dem von ihm gegründeten Kölner Stift St. Ursula den Fronhof in Rondorf, den heutigen „Johannishof“. Eine Urkunde von Erzbischof Wichfried aus dem Jahr 941 erwähnt unser Dorf erstmals als „Rumenthorp“ – heute bekannt als Name des örtlichen Pfadfinderstammes der DPSG. Mit dem weiter unten gelegenen und heute noch landwirtschaftlich genutzten „Büchel Hof“ und dessen nicht mehr vorhandener Kapelle sowie dem als reine Wohnfläche genutzten „Bödinger Hof“ auf der gegenüberliegenden Seite der Kapellenstraße befand sich hier einst das Dorfzentrum. 

Die Hofanlagen prägen bis heute das Straßenbild, aber genauso erwähnenswert sind die schmalen Steinhäuser und die Fachwerkhäuser, in denen die Hofarbeiter, Bauern und Knechte lebten. Leider scheint es gerade bei dem schönen Fachwerkhof oberhalb der Gaststätte „Zur Alten Post by Green Dragon“ schwierig zu sein, die historische Bausubstanz adäquat zu erhalten. 

Der Johannishof wurde bereits im Jahr 1985 als eine der ersten Hofanlagen in Köln saniert und in Eigentumswohnungen umgestaltet, von denen damals mein Vater eine erwerben konnte – wofür ich ihm bis heute sehr dankbar bin. Als dann nach zehn Jahren unsere Mieter auszogen, fragte er uns, die wir damals noch in Bonn studierten und dort in einer kleinen Stadtwohnung zur Miete lebten, ob wir uns den Hof nicht einmal ansehen wollten. Die Noch-Mieter luden uns direkt zum jährlichen „Hoffest“ ein; wir lernten die spezielle sehr offene und sympathische, auf Gemeinschaft angelegte Lebensart im Hof kennen, fühlten uns hier auf Anhieb wohl – und blieben bis heute. Anfänglich konzentrierte sich unser Leben in Rondorf tatsächlich sehr auf den Hof, die kleinen Kinder (teilweise bis zu 15 kleine Hofbewohner plus Freunden) fanden hier ein Paradies vor, spielten stundenlang im geschützten Innenhof und erweiterten ihren Horizont später auf die großen Feldflächen auf der Rückseite des Hofs. Hierbei kam es auch zu den eine gewisse Zeit auf „Google Maps“ sichtbaren „magischen Kreisen“ im Feld, die unsere heute erwachsenen Kinder damals unbeobachtet als ihre „Basen“ anlegten und dann von „Basis zu Basis“ durchs Feld marschierten. 

Aus Nachbarn wurden sehr schnell Freunde, man feiert, lacht und genießt das Leben gemeinsam. Mit dem Aufwachsen der Kinder, dem Besuch von Kindergarten, Anne-Frank-Schule, Kommunion und damit einhergehendem heimisch werden in der Kirchengemeinde erweiterte sich aber auch unser Horizont, und wir lernten unser Dorf immer mehr zu schätzen. 

Aber zurück zur Kapellenstraße… In sehr schöner Erinnerung habe ich die Buchhandlung, die ein netter Mensch namens Tom führte. Dort herrschte immer eine ruhige und entspannte Atmosphäre und man bekam die beste Beratung, die man sich nur wünschen kann. Tipps holte er sich unter anderem von unserer Tochter, die – damals im Grundschulalter – dort viele Stunden im Kindersessel schmökernd verbrachte. Wenn es zu Hause mal wieder Ärger gab, ging sie halt zum Tom. Leider ist die Buchhandlung ein Opfer des Internets geworden und danach gab es eine hohe Fluktuation in diesem Ladenlokal. Gleiches Schicksal teilen die weiteren Ladenlokale. Nachdem die Institution „Samen Gräf“ geschlossen hatte, wechselten auch dort häufig die Geschäftsideen und der kleine Blumenladen schloss schon vor vielen Jahren seine Pforten. Einzige Erinnerung daran ist das immer noch bestehende „Orchideenfenster“.

Als Begleitung der „Sternsinger“ lernte ich auch die etwas abseits der Straße versteckt gelegenen Villen kennen, die zur Freude der Sternsinger stets adäquate Beiträge lieferten. Diese erschöpften sich nicht im „schnöden Mammon“, sondern es gab auch Krippenbesichtigungen, begleitet von leckeren Waffeln und wärmendem Kakao. 

Auch erinnere ich mich lebhaft an die große Baustelle des Neubaugebiets „Am Bödinger Hof“. Jedes Loch im Bauzaun wurde von unserem Sohn nahezu täglich inspiziert und manchmal bat er mich auf dem Rückweg vom Altglas Container auf dem großen Parkplatz darum, ich möge ihn doch eine Stunde später wieder am Bauzaun abholen, weil er noch ein bisschen den Baufortschritt beobachten wolle. 

Seit kurzem gibt es eine neue Baustelle zwischen Johannishof und der vor einigen Jahren erbauten St. George‘s School. Hinter den schon seit Jahren dort recht unmotiviert herumstehenden Lärmschutzwällen entsteht ein neues sogenanntes „Life-Balance-Quartier“. Den neuen Nachbarn wünschen wir, dass die Rechnung aufgeht und sie sich dort ebenso wohl fühlen mögen wie wir in der Kapellenstraße. Etwas Sorge macht uns dennoch das Neubaugebiet „Rondorf Nordwest“, welches rückwärtig an unsere Gärten anschließen wird. Der freie Blick auf die Felder, den wir so sehr lieben, ist dann Geschichte und der Charakter unseres Wohnumfelds wird sich damit vermutlich deutlich ändern. Aber andererseits eröffnet ein solches Gebiet, vor allem mit dem geplanten Stadtbahnanschluss, auch neue Möglichkeiten, denen wir uns nicht verschließen sollten.

Gerhard Haider: Meine Straße – die Rodenkirchener Straße. Von der Dorfstraße zum Autobahnzubringer!

Die Rodenkirchener Straße hat sich vom Mittelpunkt eines Straßendorfes in den 70-er Jahren zum Autobahnersatz mit Verbindung zwischen Eifelautobahn und dem Kölner Autobahnring entwickelt.

Der Durchgangsverkehr mit vielen LKWs, der jetzt in Meschenich umgeleitet wird, sucht zwangsweise den Abfluss über die Brühler- oder Rodenkirchener Straße: Der geplante Anschluss an die Kölner Ringautobahn und vermehrt durch starke Bautätigkeit entstandenen Quellverkehr macht ein Überqueren oder Einfädeln in die Rodenkirchener Straße mit dem PKW zeitweise unmöglich. Nur durch freundliches Entgegenkommen der Autofahrer untereinander bleibt die Situation erträglich. 

Seit Frühjahr 1978 wohnen meine Frau und ich in der Rodenkirchener Straße in Köln – Hochkirchen. Hier haben wir zwei Kinder großgezogen. Die sind inzwischen längst flügge und haben sich in Köln eine eigene Heimat aufgebaut. Dabei wurden vier Enkelkinder geboren, heute im Alter zwischen 5 und 17 Jahren. Meine Frau und ich sind hiergeblieben – und freuen uns immer noch an dem zu unserer Wohnung gehörenden Garten. Ursprünglich (1971/72) aus Freiburg nach Köln-Lindenthal gezogen, hatten wir dort sieben Jahre gelebt. Nach unserem Studium der Medizin bzw. Physik hatte meine Frau als niedergelassene Fachärztin für Allgemeinmedizin eine Praxis im Kölner Süden, ich war in einem Kölner mittelständischen Unternehmen Sachverständiger für Strahlenschutz und später EDV-Leiter.

Als wir 1978 nach Hochkirchen kamen, war alles noch sehr ländlich, auf Höhe der Raiffeisenbank grasten auf einer Weide auf der anderen Straßenseite noch Kühe. Es gab anfangs jede Menge Streuobstwiesen, insbesondere am Weißdornweg. Hochkirchen-Rondorf ist ursprünglich ein Straßen- (Reihen)-Dorf gewesen. Die Rodenkirchener Straße beginnt an der Autobahnbrücke und geht bis zur Straße Am Höfchen. 

Seither hat sich sehr viel verändert. Rechts und links entstanden Baugebiete, die weit ins Land reichen. Die ursprüngliche katholische Dorfkirche an der Rondorfer Hauptstraße wurde aufgegeben bzw. ging in Privatbesitz über. Dafür wurde an der Reiherstraße/Hahnenstraße ein schönes modernes Pfarrzentrum aufgebaut. Ein modernes Hospiz am Höfchen sorgt liebevoll für die Pflege alter, schwer erkrankter Menschen.

Der Baustil an der Rodenkirchener Straße bringt mich zum Grübeln. Neben einer bunten Bauweise von Hochhäusern (Raiffeisenbank) über teils hübsche Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser bis hin zu ganz neuen klotzigen Bauten mit Klinkerfassaden findet man alles. Eine einheitliche Fluchtlinie gibt es nicht. Die Verkehrssituation in der Rodenkirchener Straße ist teilweise katastrophal – verstärkt durch aufkommende Bautätigkeiten in neuerer Zeit. Dazu kommen auch die täglichen Berufspendler aus dem westlichen Umland und der Voreifel sowie der ÖPNV mit zwei Buslinien (131 und 132). Die Rodenkirchener Straße gehört längst für den Durchgangsverkehr für Schwerlaster gesperrt (nur noch Anlieger). An Straßenfeste ist bei dem Verkehrsaufkommen auf der Rodenkirchener Straße nicht zu denken. Lediglich für den Karnevals-Umzug am Rosenmontag wird die Straße von der Polizei für mehrere Stunden gesperrt.

Die Lokalpolitik hat in einer „Integrierte Raumanalyse“ schöne Ziele aufgezeichnet, die ein angenehmes und gesundes Leben in Rondorf und Hochkirchen garantieren sollten. Leider werden zurzeit diese Ziele durch die Bauwut des Kölner Rates und der Stadtverwaltung zunichte gemacht (siehe Rondorf Nordwest). Die Petrochemie in Godorf trägt zusätzlich einiges zur Verschlechterung der Grundwasserqualität bei. Zu erwähnen sind einige teils sehr gute Speisegaststätten, wo auch manchmal ein Sterne-Koch sich verwöhnen lässt. Sorgen machen mir auch die Planungen um die Umgehungs- bzw. Entlastungsstraßen um Rondorf, wo auch viel Landschaft und städtische Strukturen unwiederbringlich zerstört werden.

Und wie lebt es sich in Ihrer Straße? Im SÜDBLICK erzählen Leserinnen und Leser aus unserem Veedel regelmäßig ganz persönlich „ihre“ Straßengeschichte – so, wie sie es Tag für Tag erleben. Es darf gelobt werden, aber auch kritisiert. Auf unserer Homepage dorfgemeinschaft.koeln finden Sie alle bisher veröffentlichten Beiträge. Ihre Straße fehlt noch? Dann schreiben Sie uns Ihre Straßen-geschichte an: newsletter@dorfgemeinschaft.koeln

Eine von uns: Christa Gustson, Palliativ Krankenschwester

Sie möchte da sein, zuhören, gemeinsam das Schwere aushalten, miteinander weinen, aber auch zusammen lachen. Und sich mit Respekt an jene erinnern, die sie als ihre Gäste bezeichnet. Christa Gustson ist Palliativ Krankenschwester im Hospiz St. Hedwig. In diesem Rondorfer Vorzeigeprojekt können Menschen in Würde Abschied vom Leben nehmen. Der SÜDBLICK hat sie an ihrem Arbeitsplatz besucht.

Auf dem schlicht gestalteten „Gedenktisch“ im Foyer ist eine Kerze entzündet. Daneben liegen Steine mit kurzer Inschrift, die an die hier Verstorbenen erinnern. Ein letztes Mal läutet der Gong in dem hellen freundlichen Eingangsbereich zum Abschied. Dann öffnet sich die Eingangstür nach draußen:  Einer der eben verstorbenen Gäste wird auf seinem letzten Weg hinausgetragen. Der Wagen des Beerdigungsinstitutes wartet bereits diskret. Es ist ein leises Abschiednehmen. Der Kampf zwischen Leben und Tod ist entschieden. Mehr als tausend Gäste hat Frau Gustson in den letzten Jahren begleitet. Denn die ausgebildete Palliativ Krankenschwester ist Mitarbeiterin der ersten Stunde im Hospiz, das unheilbar Kranke in der allerletzten Lebensphase aufnimmt. 

„Diese oft nur noch wenigen Tage oder Wochen begleiten und gestalten zu können, mit individueller Zuwendung, ganzheitlich von der medizinischen und pflegerischen Versorgung bis hin zum seelischen und persönlichen Beistand, diese Aufgabe wollen wir hier verwirklichen“, erzählt die 57jährige bei einem Rundgang. Die zwölf großzügigen Zimmer der Gäste haben alle Balkon oder Terrasse, jeder kann sich hier mit persönlichen Dingen einrichten. Angehörige dürfen sich mit einem Zustellbett dort ebenfalls auf Wunsch aufhalten. 

Denn das Hospiz legt größten Wert auf eine persönliche Atmosphäre mit Wärme und Geborgenheit. Egal, ob im Wohnzimmer mit dem Kamin oder in der offenen Küche mit den individuellen Speisen. „Sich Zeit nehmen, zuhören, manchmal nur das Nötigste sprechen und dann wieder über alles zu reden, insbesondere das, was belastet. Aber ebenso, sich miteinander freuen zu können, selbst wenn es nur Kleinigkeiten oder Erinnerungen sind. Und dann wieder zu schweigen und nur still dabei zu sitzen, vielleicht nur eine kurze Berührung, das ist mir wichtig“, erläutert Christa Gustson. Und fügt hinzu: „Vielleicht ist das Stillsitzen und das Nichtstun die größte Herausforderung bei einer Begleitung.“ Mit Demut will sie ihren Gästen helfen, durch die letzten Tage zu gehen und dem Versuch, nichts zu werten. Auch das sieht sie als Herausforderung in diesem besonderen Arbeitsfeld.

Im Oktober 2005 wurde das Hospiz St. Hedwig als Gemeinschaftsprojekt der Alexianer-Brüder und der Cellitinnen zur Heiligen Elisabeth eröffnet. Diese beiden Ordensgemeinschaften haben es sich schon im Mittelalter zur Aufgabe gemacht, sich um Schwerstkranke zu kümmern. „Als ich erstmals von den Plänen für Rondorf hörte, bin ich voller Neugier zur Baustelle gefahren, um mir den Ort für ein Hospiz genauer anzuschauen“, erinnert sich die Frau, die früher auf einer Station in der Unfallchirurgie gearbeitet hat. Nach ersten Kontakten war sie schnell von der Aufgabe überzeugt, hier Menschen einfühlsam auf nichts anderes mehr vorzubereiten als auf ein Leben bis zum letzten Tag, um dann in Würde zu sterben. Seitdem arbeitet sie in diesem dezent und lichtvoll gestalteten Haus für das Ziel, unheilbar Kranken ein selbstbestimmtes Leben schmerzfrei bis zuletzt zu ermöglichen. „Sterben, Tod und Trauer gehen uns alle an und sind Teil unseres Lebens“, ist der Leitgedanke, von dem sie überzeugt ist. Dabei geht es nicht nur um die Versorgung der schwerstkranken Menschen, sondern auch um die Begleitung der Angehörigen mit ihren vielen Fragen und eigenen Ängsten. 

Durch mehrere Fortbildungskurse und „learning by doing“ wurde Christa Gustson Palliativ Krankenschwester. Das heißt: Rund um die Uhr im Schichtwechsel da zu sein für Schmerzminimierung und Symptomlinderung, aber ebenso für psychosoziale und spirituelle Begleitung, die Schutz und Geborgenheit bieten sollen. Denn das Wort „Palliativ“ ist Programm: Es ist abgeleitet vom lateinischen Wort für Mantel: „Pallium“. So will man hier die Gäste schützend umhüllen, wie mit einem warmen Mantel.

„Eine Oase in Rondorf“, nennt Christa Gustson ihren Arbeitsplatz. Mit ihr gehören fast 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Team. Viele arbeiten in Teilzeit, es sind qualifizierte Pflegekräfte, Ärzte, junge Erwachsene im Freiwilligen Sozialen Jahr. Dazu kommen eine Garten-Therapeutin und ein Seelsorger. Besondere Angebote sind außerdem eine Aromapflege mit frischen Essenzen und Düften aus der Natur und eine Musik-​ und Kunsttherapie. Die Kooperation mit dem ambulanten Hospizdienst der Johanniter ergänzt das Angebot durch ehrenamtliche psychosoziale Betreuung. Auch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden sind verfügbar.

Wir schauen durch das Fenster der kleinen Kapelle hinaus zur Straße. Manchmal hört man sogar von draußen im Vorbeigehen das Singen oder das Spiel der Orgel. Denn regelmäßig wird hier auch ein Gottesdienst angeboten und auf Wunsch in die Zimmer übertragen. „Der Wunsch nach religiösem Beistand hat in den Jahren sehr abgenommen. Dennoch entwickeln sich mit dem Seelsorger und auch mit uns Pflegenden manchmal tiefe Gespräche über den Sinn des Lebens, über Rückblicke und Lebensfazits“, meint die Frau nachdenklich, die selbst so viel Gelassenheit und innere Ruhe ausstrahlt.

Wer weiter durch das Haus geht, spürt schnell eine große Stille. Die Hektik des Lebens bleibt vor der Tür. Nur aus dem benachbarten Kindergarten kommt ab und zu das fröhliche Lachen der Kinder. „Viele der Schwerkranken empfinden diese Nachbarschaft durchaus als etwas Besonderes und Befreiendes. Bei schönem Wetter können sie von ihren Fenstern oder aus dem Garten einen Blick auf das junge Leben nebenan nehmen, manchmal kommt es sogar zu kleinen Gesprächen über den Gartenzaun; das kann sehr berührend sein“, findet Christa Gustson, selbst Mutter von vier inzwischen erwachsenen Töchtern. Sie erzählt von der Freude, wenn zum Beispiel im November die Schulkinder des Kindergartens mit ihren Laternen ins Hospiz kommen und singen. Hier der Kindergarten, daneben das Hospiz St. Hedwig. Kommen und Gehen. Die ganze Spannweite des Lebens. 

Rund um das Haus pflegen derzeit drei ehrenamtliche Hobbygärtner, manchmal sogar mit ein paar Bewohnern, liebevoll kleine Blumenbeete. Auch eine Wildblumenwiese wurde gemeinsam angelegt. „Gerade jetzt im Frühjahr erfreuen sich die Gäste daran, noch einmal die neu aufgeblühte Natur miterleben zu dürfen,“ erfahren wir.  Und drinnen ist seit 15 Jahren der Arbeitsplatz von Christa Gustson. Soll man sie bewundern für dieses Engagement, das durchaus einiges abverlangt? Da wehrt sie vorsichtig ab: „Viele sagen mir, dass sie diese Arbeit mit Schwerkranken und Sterbenden nicht könnten. Aber ich sehe das anders: ich fühle mich in Vielem eher beschenkt, spüre Dankbarkeit und Anerkennung. Es ist mir erlaubt, am Leben anderer Menschen teilzuhaben, eine der größten Krisensituationen des Menschen mit aushalten zu dürfen, um so Tag für Tag zu erkennen, was wirklich wichtig ist. Ich erlebe hier tief bewegende Momente, die man so schnell nicht vergisst!“

Rückfrage: „Aber gibt es nicht auch den Moment, wo Sie erschöpft oder gar verzweifelt sind bei all dem Traurigen?“ Ihre Antwort kommt sehr klar: „Ja, es gibt diese Momente: wenn Kinder vor ihren Eltern sterben, auch wenn das Kind sechzig Jahre ist, gehört sich das nicht.“ Für sie selbst ist ein stabiles privates Umfeld hilfreich. Ab und zu wandert sie über Friedhöfe und fotografiert. Die Palliativ Krankenschwester hat für sich zudem ihre ganz eigene Fähigkeit entwickelt, nach einem intensiven Arbeitstag abschalten zu können. Sie schreibt ihre Gedanken, Gespräche, Begegnungen in kleinen Texten auf – Fröhliches, Nachdenkliches, Schönes, Trauriges.

Daraus ist inzwischen ein sehr lesenswertes kleines Buch entstanden: „Dabei sein – Bleibende Momente aus dem Hospizalltag“ lautet der Titel. Gleich auf der ersten Seite verrät sie: „Das Schreiben hilft mir, Dinge von meiner Seele zu nehmen, ohne sie zu vergessen.“ Da ist etwa die erst 22jährige Frau, die in ihrem kurzen Leben schon so viele Schicksalsschläge erlitten hat. Wir lesen: „Sie liegt mit dem Gesicht auf meinen Beinen und weint. Mich packt es und gemeinsam rollen die Tränen. Nach einer Weile zückt sie ein Taschentuch, reicht es mir, tätschelt meine Hand und lächelt mich an. Was für ein großer Moment.“

Ja, es gibt Menschen, denen die helfende Sterbebegleiterin, (ein Gast nannte sie mal Hebamme) im Hospiz in all den Jahren begegnet sind, die sie nicht vergessen kann. „Interessanterweise sind dies am häufigsten die Gäste mit Ecken und Kanten, mit Eigenheiten, wo ich noch lange denke, dieser Mensch hatte etwas sehr Spezielles!“ Aber dann fügt sie hinzu: „Letztlich ist jeder Mensch etwas ganz Besonderes!“ Dieses Motiv wird hier im Hospiz St. Hedwig jeden Tag gelebt. So gut es geht. Dazu gehört auch, letzte Wünsche zu erfüllen.

In diesen Tagen ändert sich etwas im Leben der Palliativ Krankenschwester. Christa Gustson übernimmt im Hospiz die neue Aufgabe als Koordinatorin der Ehrenamtlichen im ambulanten Hospizdienst der Johanniter. Was sie sich für die Zukunft wünscht? „Dass dieses ein offenes Haus für Begegnungen bleibt!“ Deshalb möchte sie auch, „dass wir das Sterben mehr als einen Teil unseres Lebens verstehen und das Thema nicht hinter verschlossenen Türen verdrängen.“ Besucher, Interessierte und der Kontakt zur Öffentlichkeit sind ihr deshalb weiterhin ein Anliegen.

Eine wichtige Rolle spielt dabei aus ihrer Sicht der Förderverein, der maßgeblich von der Dorfgemeinschaft mitgetragen wird. Das Hospiz ist nämlich angewiesen auf die Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern, von Firmen, Vereinigungen und Institutionen, da nur ein Teil der erforderlichen Mittel durch Krankenkassen und Pflegekassen zur Verfügung gestellt wird. „Wer will, kann durchaus noch mehr tun. Zum Beispiel einen Teil seiner Zeit und Kraft zur Verfügung stellen, um ehrenamtliche Aufgaben zu übernehmen“,  sagt Christa Gustson. Und gibt dem Besucher die Überzeugung mit: „Ich würde es wieder tun!“

Kontakt: Hospiz St. Hedwig, Am Höfchen 16, 50 997 Köln – Rondorf, Tel. 02203-3691-11121 www.foerderverein-hospizdienste.de; hospizverein@alexianer-koeln.de

Meine Straße: Kristian Beara hat den Erlengrund immer sicher im Blick

Der beschauliche Erlengrund ist das Zuhause von Kristian Beara. Ein großer Vorteil: Der Tennisplatz ist für den leidenschaftlichen Spieler ganz nah.  Dass die Nachbarn im Wohngebiet sicher leben können, ist dem jungen Familienvater und Polizeibeamten ein besonderes Anliegen. Das hat auch schon zu heiklen Situationen geführt.

Nach eher hektischen Jahren in der Kölner Innenstadt, nämlich der belebten Ehrenstraße, und anschließend ungleich ruhigeren Zeiten in Lindenthal, zog es meine Frau und mich 2006 in das grüne Hochkirchen. Unter heutigen Umständen würde man den Namen des damaligen Neubaugebietes sicherlich nicht mehr wählen. Aber die Zeit im dortigen Neubaugebiet „Corona“ am Halv-Miel-Ring war der Beginn einer innigen Liebe zum wunderschönen und dörflichen Rondorf. „Hier möchten wir nicht mehr weg“, das war uns beiden schnell klar. Der nächste Umzug 2013 erfolgte bereits als Familie, denn 2008 erblickte unser Sohn das Licht der Welt; aber der Wechsel vom Halv-Miel-Ring gen Erlengrund ließ sich ob des Verbleibs in Hochkirchen und der neuen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen des Neubaus im Erlengrund und der aus dieser Zeit entstandenen Freundschaften, sehr gut verkraften. 

Die Erle bildet bekanntlich eine Gattung der Pflanzenfamilie der Birkengewächse und der Erlengrund schmiegt sich so wundervoll in die benachbarten Straßenzüge wie den Birkenweg ein. Die Anliegerstraße, die sich als Einbahnstraße oberhalb der Rodenkirchener Straße schlängelt, ist für Radfahrer auch in Gegenrichtung geöffnet und verbindet den Weißdornweg mit dem Lerchenweg. Das heterogene Straßenbild mit seinen 34 Häusern bildet eine schöne Symbiose mit den unterschiedlichen Vorgärten und Hauseingängen. Der Altersdurchschnitt der Bewohner liegt bei etwa 50 Jahren und die durchschnittliche Wohndauer beträgt sechs bis acht Jahre. 

Als leidenschaftlicher Tennisspieler weiß ich es zu schätzen, dass ich meine Heim-Tennisanlage des TC Grün-Weiß Großrotter Hofs sehr gut und schnell fußläufig oder mit dem Rad erreichen kann. Insbesondere wegen des schönen Biergartens und der geselligen Atmosphäre bietet es sich an, den Weg zu Fuß zu gehen oder zu radeln – dann aber bitte nur alkoholfreies Vergnügen.

Nun gebe ich zu, ich habe stets ein waches Auge auf unsere allgemeine Sicherheit. Ein Vorfall, der fast zur Tragödie hätte führen können, bleibt nicht nur mir, sondern auch zahlreichen Nachbarn und Freunden wohl noch länger in Erinnerung und könnte den Titel „Überwachsamer Nachbar“ tragen. Ich befand mich unter unserem Carport und schraubte fleißig an meinem Fahrrad, als ein Mann in Arbeitskleidung in schnellem Spurt den Erlengrund aus Richtung Weißdornweg gen Lerchenweg rannte und ich die Situation fehlinterpretierte. Ich folgerte nämlich, dass hier womöglich ein Straftäter, vielleicht ein Einbrecher, sich von einem möglichen Tatort zu entfernen versuchte. Meine entschlossenen Rufe „stehen bleiben“ wurden ignoriert und der vermeintliche Straftäter erhöhte sogar seine Geschwindigkeit, bevor er schnellstmöglich den Fahrersitz eines nicht minder verdächtigen Transporters bestieg und sich anscheinend blitzartig aus dem Erlengrund entfernen wollte. Aber nicht mit mir! Um die Verdachtsmomente zu erhärten oder zu entkräften, blieb mir nichts anderes übrig als die Person energisch aus dem Fahrzeug zu „bitten“. Nach kurzem Wortwechsel war klar, dass es sich bei dem Mann nicht um einen Straftäter, sondern um einen unschuldigen Nachbarn handelte, den ich leider zuvor nie gesehen hatte. Trotz herzlichster Entschuldigungen meinerseits war der Nachbar sehr verärgert, so dass kein wirklich harmonischer Abschied folgte. Auf diesem Wege bietet sich nochmals eine nachträgliche Entschuldigung für meine Fehleinschätzung der Lage an. Entschuldigung, werter Mitbewohner unseres Erlengrund. Tja, im Nachhinein ist man meistens schlauer. Doch ein befreundeter Nachbar, der die ganze Situation gut beobachten konnte, sprach mir im Nachhinein zumindest noch seinen Dank für meine Wachsamkeit aus. Immerhin ein Trost.

Zu meiner eigenen Verteidigung sei allerdings hinzugefügt, dass ich wenige Monate zuvor in meiner Freizeit in der Reiherstraße, Ecke Hahnenstraße auf zwei tatsächliche Einbrecher traf, spontan die Verfolgung aufnahm und einen der beiden Einbrecher nach wilder Jagd auch an die Polizei übergeben konnte (und dieser dann vor Gericht mit einem Jahr Freiheitsstrafe belegt wurde). Und ich erhielt immerhin eine Belobigung vom Polizeipräsidenten. Ja, die Sicherheit in unserem schönen Veedel ist mir in der Tat ein Herzensanliegen!

Eine von uns: Eva-Marie Blumschein

Sie ist Harfenistin aus Leidenschaft. Eva-Marie Blumschein beherrscht meisterhaft ein ganz besonderes Instrument, das bereits seit mehr als 5000 Jahren gespielt wird. Selbst am eleganten französischen Hof war es üblich, so die Saiten zu zupfen. Warum die Harfe auch in Zukunft konkurrenzlos ist, hat die Rondorfer Künstlerin, die von Anfang an zum Team der Musikschule Papageno gehört, dem SÜDBLICK in einem ganz privaten Einführungskurs erzählt.

Sie ist eine Frühberufene. Bereits als Schülerin am Gymnasium Rodenkirchen war sie Jungstudentin an der Kölner Musikhochschule, an der sie nach dem Abitur auch studierte. „Ich habe bereits als sechsjährige an einem Tag der offenen Tür einer Musikschule die Harfe kennenlernen dürfen. Der besondere Klang und die wunderschöne Erscheinung haben mich sofort begeistert und fasziniert.“ So erinnert sich Eva-Marie Blumschein an ihre erste Begegnung mit einem der ältesten Musikinstrumente der Welt, das bereits im frühen Ägypten gespielt wurde und schon in der Bibel hohen Stellenwert unter König David besaß. 

Die vielleicht etwas kapriziöse Rarität hat seither nichts von ihrer Faszination verloren. Jedenfalls nicht für die passionierte Harfenistin aus Rondorf. „Die Harfe wird die Menschen mit ihrem Klang immer berühren und ihre Wirkung nie verfehlen. Ich bin davon überzeugt, dass Schwingungen und Resonanz die Gesellschaft ganz grundsätzlich positiv stärken“, erzählt sie voller Überzeugung. Und was macht dieses Instrument so einmalig? „Der Klang ihrer Saiten ist sehr direkt und ohne Umwege spürbar und hörbar. Die Vibrationen gehen von der Saite über den Klangkörper auf den Zuhörer über und berühren ihn direkt“, erläutert die Meisterzupferin dem SÜDBLICK den magischen Effekt ihres Instruments.

Die Harfe hat in ihren Augen alle Möglichkeiten, die ein Musiker braucht: Man kann mit ihr im Orchester spielen, kleinere kammermusikalische Ensembles bereichern, oder einen Solisten bei Geige, Cello, Flöte, Gesang, Chor, Oboe … begleiten. Und natürlich kann die Harfe auch als Soloinstrument erklingen. „Auch Jazz ist auf der Harfe möglich. Prinzipiell kann eine Harfe alles das, was ein Klavier auch kann… nur kann man auf der Harfe selten etwas ‚vom Blatt‘ spielen, weil die Harfe keine ‚schwarzen Tasten‘ hat — dafür haben wir auf der Konzertharfe die Pedale, mit denen ich die Stimmung der Saiten um einen Halbton verringern oder erhöhen kann. Ich brauche also nicht nur meine Hände, um Harfe zu spielen, sondern gleichzeitig auch die Füße, sonst geht es nicht. Die Konzertharfe hat nicht nur 47 Saiten, sondern auch 7 Pedale mit jeweils 3 Einstellungsmöglichkeiten! Das wissen nur die wenigsten, und die Leute sind immer ganz überrascht, wenn ich ihnen das erkläre“, erläutert sie lachend.

Eva-Marie Blumschein selbst hat zunächst auf einer kleineren irischen Hakenharfe mit Klappen zum Verstellen von Halbtonschritten begonnen und ist dann über eine Einfachpedalharfe zur Konzertharfe gekommen. „Dies ist für mich das Instrument, auf dem ich mich am wohlsten fühle, und das die größte Flexibilität bietet“, sagt die Tonkünstlerin mit Begeisterung und Überzeugung.

Heute ist sie eine viel gefragte Musikerin und hat schon so manches ungewöhnliche Event erlebt. Sie denkt da zum Beispiel an die Gamescom: Da gab es einen Auftritt mit der Computermusik zu einem sehr berühmten Spiel, „bei dem die Fans völlig ausgeflippt sind — auch sehr ungewöhnlich für uns Klassiker“, lacht die 44-jährige. Auch in der Köln Arena hat sie schon gespielt — mit Übertragung auf die Leinwand beim Harfeneinsatz. „Das ist nun eher ungewöhnlich“, erinnert sie sich schmunzelnd. 

Dennoch schätzt Eva-Marie Blumschein nicht zuletzt die kleinen eher privaten Konzerte, bei denen besondere Begegnungen, Erlebnisse oder gemeinsames Musizieren stattfinden. Und sie begleitet Menschen mit ihrer Kunst sogar in sehr persönlichen Lebenslagen etwa bei der Hochzeit oder der Taufe, aber auch zu Beerdigung und Todestagen am Grab. In ihrem Terminkalender stehen — normalerweise — neben Orchester- oder Soloauftritten auch Jubiläen, Überraschungskonzerte oder Abschiede im Krankenhaus. „Und wenn Corona vorbei ist, gibt es ein Klappstuhlkonzert bei mir zuhause,“ verspricht sie dem SÜDBLICK. 

Doch die eigenen Auftritte sind nur der eine Teil ihres Wirkens. An der Hochschule für Musik und Tanz Köln hat sie einen Lehrauftrag für Harfe, Orchesterstellen und Fachdidaktik des Harfenunterrichts, der sie mit viel Freude erfüllt. Mit dem Neuen Rheinischen Kammerorchester spielt sie regelmäßig große Konzerte und auch andere Orchester fragen bei ihr regelmäßig an. Außerdem unterrichtet sie privat und an der Rochus Musikschule Köln Bickendorf. Diese verfolgt ein ähnliches Konzept wie die Musikschule Papageno, in der sie seit 20 Jahren als Dozentin mit Begeisterung engagiert ist. Diese Musikschule der Evangelischen Kirchengemeinde Rondorf ist ihr besonders ans Herz gewachsen. Sie hat das Projekt seit 1999 mit aufgebaut. Dass die Schule heute über Köln hinaus so einen exzellenten Ruf genießt, liegt nicht zuletzt an ihr sowie den weiteren rund zwei Dutzend Dozenten.

Bei Papageno unterrichtet die viel Gefragte Harfe und außerdem Elementare Musiklehre im evangelischen Kindergarten Rondorf. Das Konzept überzeugt sie: „Papageno bietet uns die Möglichkeit in schönen Räumlichkeiten der Emmanuel Gemeinde und mit einem hochprofessionellen Kollegium zu unterrichten. Die Musikschule holt die Kinder bereits im Kindergartenalter ab und begleitet die Schüler bis zum Abitur“, beschreibt sie die Leistungen dieses Rondorfer Musikjuwels. Für ihre Arbeit hier stehen zwei hochwertige Harfen zur Verfügung: Eine kleinere Hakenharfe und eine große Doppelpedalharfe. „Das ist keineswegs selbstverständlich, da ein großes Konzertinstrument sehr teuer ist. Das ermöglicht eine umfangreiche Ausbildung und Flexibilität, auf die Wünsche der Schüler professionell einzugehen“, erläutert die Musikpädagogin. Die Exklusivität des Instruments bedingt allerdings, dass es sich immer eher um einige Wenige, aber dafür immer selbst berufene Schüler handelt. Es komme eher selten vor, dass Eltern den Kindern vorschlagen, doch bitte Harfe zu lernen. Meist ist das andersherum. 

Die Musikschule Papageno bietet immer wieder die Möglichkeit von Auftritten im geschützten Raum und dem gemeinsamen Musizieren der Schüler unterschiedlicher Klassen untereinander bzw. miteinander. „Dieser Austausch ist sehr wichtig und unterscheidet sich von reinem Privatunterricht. Papageno legt Wert auf das, was landläufig klassische Ausbildung genannt wird. Aber ich verstehe darunter, den Schülern Fliegen beizubringen. Mit den besten Voraussetzungen von Beginn an und einer soliden Ausbildung habe ich hinterher alle Freiheiten, die ich brauche. Musik soll Spaß machen und keinen Druck erzeugen — das stimmt, aber so ganz ohne Fleiß und Einsatz klappt es auch nicht. Die Überwindung von Herausforderungen kann gerade auch in der Gemeinschaft unheimlich motivieren und fördern. Bei Computerspielen bleiben die Jugendlichen freiwillig stundenlang bei einer einzigen Problematik, nur um ins nächste Level zu kommen… das ist von technischen Herausforderungen am Instrument gar nicht so weit entfernt“, gibt Eva-Marie Blumschein einen anschaulichen Einblick in ihre Aktivitäten als Musiklehrerin.

Wenn jemand überlegt, Harfe zu lernen, was rät sie ihm? Sie erzählt aus ihrem Alltag: „Meine jüngste Schülerin, die anfing Harfe zu lernen, war 4 1/2 Jahre alt, meine älteste Anfängerin 78. Wenn die Harfe einen gepackt hat, sind alles andere Nebensächlichkeiten. Wir finden immer einen Weg. Großes oder kleines Instrument, gekauft oder geliehen, Spielen nach Gehör oder nach Noten, Noten lernen ist auch eine sehr logische Sache, die keinem Alter unterliegt und im learning by doing and playing-Prinzip ganz wunderbar ist! Bei ehrlichem Interesse kann ich nur raten, loszulegen und den Anfangsimpuls mitzunehmen! Der Schwung der Begeisterung genügt“, ist die Harfenistin aus Leidenschaft schon wieder beim Thema Schwingung.

Doch wie viel Übung und Training sind erforderlich bis man dieses besondere Instrument beherrscht? Ihre ehrliche Antwort: „Musik und Sport sind sich diesbezüglich sehr ähnlich. Regelmäßiges Training, ausreichende Kondition und mentale Stärke sind grundsätzliche Voraussetzungen, um auf einem professionellen Niveau zu musizieren. Die persönliche Weiterentwicklung endet nie, und es gibt immer wieder neue Ziele zu erreichen. Getreu dem Motto „nach dem Spiel ist vor dem Spiel“.

Aber braucht man für dieses Instrument nicht ganz besondere, auch körperliche Voraussetzungen? „Grundsätzlich ist es für Jedermann möglich, Harfe zu spielen und zu lernen“, meint sie, schränkt aber ein: „Dennoch ist es ein sehr komplexes Instrument, bei dem die Koordination von Auge-Hand-Fuß beidseitig unabhängig erfolgt. Die Fingerfertigkeit braucht auch eine gewisse Kraftanstrengung. Für eine Hobbyharfenistin ist die sicherlich nicht so wichtig, aber um in der Orchesterwelt bestehen zu können, braucht es Kraft, Ausdauer und Selbstbewusstsein, da man als Solistin agiert.“ 

Doch dann komm noch etwas sehr Spezielles dazu: Die Harfe ist ein buchstäblich schweres Instrument. Die Konzertharfe als größte Vertreterin ihrer Art ist mit 175 bis 190 Zentimeter Höhe und meist 34 bis 42 Kilogramm Gewicht immerhin eines der größten und schwersten Orchesterinstrumente. Ist das im Alltag nicht etwas unpraktisch und unhandlich? „Das stimmt, und die neuen Instrumente werden immer noch größer gebaut, um den Klang noch tragender und in größerer Lautstärke in den Raum zu bringen. Irische Harfen sind wesentlich kleiner und handlicher, werden aber im klassischen Orchester nicht eingesetzt. Immerhin ist es möglich, die Konzertharfe zu transportieren, mitzunehmen und an den außergewöhnlichsten Orten wieder aufzustellen. Außer dem Instrument und einem Stuhl zum Sitzen brauchen wir kein Equipment…. obwohl wir immer mit Stimmschlüssel und Ersatzsaiten reisen (47 Stück!) um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein“, weiß die Papageno-Dozentin.

Aber hat eines der ältesten Instrumente der Welt auch eine Zukunft? Da ist sich Eva-Marie Blumschein ganz sicher: „Die Harfe ist ganz ohne Frage ein zeitloses Instrument, das keinen Modeerscheinungen unterliegt. Die zeitgenössischen Komponisten experimentieren gerne mit den Klangfarben und Möglichkeiten der Harfe als Instrument.“ Auch wenn das Klavier die Harfe als Liebling der Hausmusiker abgelöst haben mag, so gibt die Rondorferin doch zu bedenken: „Auch die Queen hat ihre Hofharfenistin und in Tirol wundert sich niemand über die Rolle der Harfe bei der Stub’nmusik.“ Noch irgendwelche Fragen? 

Ach ja, eine noch: Bleibt in diesem Leben voller Musik überhaupt noch Zeit für etwas anderes? Doch auch da kann uns Eva-Marie Blumschein mit Vielseitigkeit überzeugen: Sie lebt mit ihrer Familie in einem Mehrgenerationen-Haushalt: Ihr Mann, drei Kinder, eine Oma, zwei Hunde und vier Hühner gehören dazu. Der Garten ist zum Glück groß. Als wir uns verabschieden, versichert uns die Künstlerin noch: „Da kommt keine Langeweile auf. Ich lese viel, buddle gern im Garten, koche mit Freunden und kümmere mich um die Angelegenheiten, die in eine Großfamilie täglich anfallen.“ Musik macht offenbar auch gelassen.

Kaum wieder auf der Straße, ertönt wenig später durch das Fenster der sphärische Klang einer Harfe. Nur Übung macht die Meisterin! Eva-Marie Blumschein freut sich, wenn sie hoffentlich bald wieder öffentlich auftreten darf, und der Lockdown auch in der Kultur ein Ende findet: „Denn wir brauchen diesen gemeinsamen Raum miteinander, durch Resonanzen in Schwingung gebracht zu werden.“ 

Meine Straße: Horst Linker zeigt uns den Usedom Weg

Straßen sind etwas, was Heimat schafft, Nähe und Nachbarschaft. Manche Straßen sind sogar in Büchern, Filmen oder Schlagern zu ewigem Ruhm gelangt. Wie aber lebt es sich in den Straßen unseres Wohngebietes? In jeder SÜDBLICK-Ausgabe stellt eine Leserin oder ein Leser ganz persönlich „seine“ oder „ihre“ Straße vor – so, wie er oder sie diese Tag für Tag erleben. Ganz nach dem Motto: Wohnst Du hier nur oder lebst Du da auch? Auf der Homepage der Dorfgemeinschaft finden Sie alle bisher veröffentlichten Beiträge. Ihre Straße fehlt noch? Dann schreiben Sie uns Ihre Straßengeschichte! In der 20. Folge lädt uns heute Horst Linker in den Usedom Weg ein.

Er ist gar keine Straße, sondern lediglich ein Weg. Kein Irrweg, kein Umweg, eher immer ein Ausweg. Mit zwei Ein- und Ausgängen, keine Sackgasse. Sondern ein Weg, er hat einen charmanten Knick, der die freie Durchsicht etwas verbirgt, aber im Wesentlichen ist der Usedom Weg in einer gemütlichen Wohnanlage gerade und offen. Rechts fünf Bungalows und links fünf Bungalows. Wir wollen nicht hoch hinaus, wir sind bodenständig. Wir haben individuelle Vorgärten und wir sind auch so. Singles, Paare, Familien mit Kindern und manche auch mit Hunden und Katzen. Zurzeit sind dies zusammen neunzehn Personen: Acht Frauen, acht Männer, ein Kleinkind und zwei Jugendliche. Wir achten uns nicht nur, wir achten auch aufeinander: „Wie geht es?“, „Kann ich etwas für dich tun?“

„Ich habe die oder den lange nicht gesehen, muss man sich sorgen?“ Nachbarn eben!!Ich habe in die Nr. 5 eingeheiratet. Meine Frau starb bereits vor elf Jahren. Sie fehlt sehr. Aber das Haus ließ mich nicht los und somit auch nicht der Weg. Die Nachbarn nahmen mich in ihre Gemeinschaft auf. Ich fühle mich sehr gut aufgehoben – Dafür einmal Danke. Ich war und bin Arzt, stehe zu erster Hilfe zur Verfügung und kann beratend helfen. So vertrauten wir uns. 

Was zu mir gehört: Mich umgeben ein paar Bücher, mehr als man zu einem lebensnotwendigen Erkenntnisstand braucht, es sind alte Freundinnen und Freunde. CDs, Kassetten, Schallplatten füllen das Haus mit Musik und mit meinem Akkordeon habe ich früher schon manchen Saal leergespielt. Ich male, bildhauere und schreibe (Gedichte), wenn mich alten Mann noch die Muse küsst.

Ich genieße die lebendige Ruhe meiner „Straße“ und die individuelle Ruhe des Innenhofes mit exotischen Bäumen (Palme, Feige, Olive, Ginkgo, Kaktus, Eiche, Weinstock, Rosenbäumchen) und leider auch japanischem Knöterich. Aber auch mit einem leise plätschernden Brunnen. Ich weiß, dass die Nachbarn, so wie ich, die Möglichkeit der Wiederholung eines Nachbarschaftsfestes, erweitert durch die Nachbarn der den Usedom Weg umgebenden Wege und Straßen, sehr herbeiwünschen – sobald Corona uns wieder lässt. Nach dem Motto: Das Miteinander- Leben beginnt in der Straße, in der Siedlung, in unserem „VEEDEL“ – da, wo wir zuhause sind!

Meine Straße: Der Sperberweg

Beim Blick zurück wird Conny Wiese-Robrecht erst so richtig klar, dass es schon 27 Jahre sind, die ihre Familie im Sperberweg wohnt. Wie viel in dieser Zeit passiert ist, daran lässt sie die Leserinnen und Leser des SÜDBLICK heute ganz persönlich teilnehmen. 

Groß geworden in kleinen Dörfern im Hochsauerland führte uns der Weg über unterschiedliche Städte schließlich nach Köln, hier zunächst in die Südstadt, dann nach Braunsfeld und von dort eher zufällig in den Sperberweg nach Rondorf. 

Ich erinnere mich an eine Radtour an einem heißen Tag im Sommer 1993. Gefühlt weit weg von Köln radelten wir über die Autobahnbrücke „Am Höfchen“ und entdeckten dieses uns bis dahin unbekannte Dorf. Auf Ackerflächen standen große Schilder, die auf die Errichtung neuer Häuser aufmerksam machten. Erste Bagger buddelten bereits. So auch im Sperberweg. Kurz entschlossen haben wir uns zwei Tage später für diese Straße entschieden und sind schon wenige Monate später in eines der Reihenhäuser eingezogen.

Anfangs gab es noch den freien Blick auf die leuchtenden Mohn- und Rapsfelder, den wir sehr zu schätzen wussten. Nach und nach entstanden weitere Häuser im wachsenden Rondorf, die den freien Blick nahmen. Aber die Nähe zu den Feldern blieb. Ich freue mich nach wie vor, mal eben die Joggingschuhe anzuziehen, kurz um die Ecke und dann unterm weiten Himmel über Felder laufen zu können.

Gern denke ich an die ersten Jahre im Sperberweg zurück: nette Straßenfeste, engagiert und liebevoll vorbereitet, führten die vielen Menschen zusammen, die hier ihr neues Zuhause gefunden hatten. Zahlreiche Kinder sind hier aufgewachsen, prägten das Bild dieser Straße, waren von morgens früh bis abends spät bewegt draußen und drinnen unterwegs. Der Spielplatz an der evangelischen Kirche erwies sich dabei als besonderes Glück: Stundenlanges Fußball spielen, Schaukeln, Sand schaufeln und dabei Leute kennenlernen.

Im Laufe der Zeit sind die Kinder im Sperberweg, auch die eigenen drei, groß geworden. Umso erfreulicher finde ich, dass in den vergangenen Jahren wieder junge Familien in den Sperberweg gezogen sind, und – wie in den 90-er Jahren – viele muntere Kinder auf der Straße und auf dem Spielplatz unterwegs sind.

Kritisch anmerken möchte ich, dass diese Straße einen sehr geraden Verlauf hat, der manchen Autofahrer zum zu schnellen Fahren verleitet. Das hat uns manche Schrecksekunde gekostet. Auch die damals von der Stadt Köln angepflanzten Bäume lassen zu wünschen übrig; viele sind bereits eingegangen. Da hätte ich mir mehr dauerhaftes, Sauerstoff spendendes Grün gewünscht. Positiv ist allerdings, dass sich einige Nachbarn eigenverantwortlich um die Beete kümmern, sie ansprechend gestalten und auch eigene Bäume gesetzt haben.

Last but not least bin ich sehr froh, dass es uns damals zufällig und ungeplant nach Rondorf verschlagen hat.  Ich habe hier so viele engagierte, offene und kreative Menschen kennen- und schätzen gelernt, mit denen es viel Spaß macht, die unterschiedlichsten Dinge zu bewegen und Aktionen umzusetzen. Das empfinde ich als sehr großes Glück, und es bestätigt mein Lebensmotto „Der Mensch macht’s!“  Ich blicke daher zuversichtlich und offen nach vorn und bin gespannt auf die weiteren Entwicklungen, nicht nur im Sperberweg. 

Einer von uns: Stefan Schmitz

Wenn der Rondorfer Stararchitekt Stefan Schmitz ans Werk geht, ist jedes seiner Projekte zugleich eine Botschaft. Bauen heißt für ihn, das Wohl zukünftiger Generationen in den Blick zu nehmen. Egal, ob er in seinem heimischen Veedel mit dem Projekt „My George“ gerade neue Wohnformen realisiert oder in der fernen Mongolei am ambitionierten Bau einer völlig neuen Idealstadt arbeitet. Demnächst präsentiert der international gefragte Planer seine Mission auch in einem Buch: „Stadt der Zukunft“, eine Mischung aus Mahnung und Vision. Im SÜDBLICK-Gespräch macht der renommierte Bauexperte auch unumwunden deutlich, dass er sich für das Großprojekt Rondorf Nordwest manches durchaus besser wünscht.

Die Zukunft wohnt gleich um die Ecke. Zugegeben, es ist erst einmal eine Baustelle. Direkt neben der unübersehbaren St. Georges School an der Kapellenstraße sind die Baufahrzeuge seit einigen Wochen heftig dabei, ein schickes „Life-Balance-Quartier“ hochzuziehen. Insgesamt zwölf „lebenslustige, familiäre Architektenhäuser mit abgestimmter Gestaltung, offen für neue Ideen und Gespür für die Zukunft“ verspricht der Prospekt. Es ist die jüngste Visitenkarte von Stefan Schmitz. Und der freut sich, dass die Nachfrage groß ist, obwohl die Häuser, die ab Ende 2021 bezogen werden sollen, nicht ganz billig sind. „Alles Rondorf-typische, hochwertige Backstein-Architektur“, betont der Chefplaner, das ist ihm wichtig. Denn Stefan Schmitz liebt unverkennbar sein Veedel, in dem der gebürtige Frankfurter seit 1997 zuhause ist. Und dessen bauliche Entwicklung er seitdem mit offenen, durchaus kritischen Augen verfolgt. 

Was also könnte besser werden? Was fehlt?  Da hat er gleich mehrere Vorschläge. Zum einen: „Rondorf ist ein Straßendorf. Aber die Rondorfer Hauptstraße ist als „Ortskern“ mit ihren Einzelhandels- und Gastronomie-Angeboten wegen des hohen Verkehrsaufkommens für Fußgänger und Radfahrer leider wenig attraktiv. Die mit dem Neubaugebiet Rondorf-Nordwest geplante Umgehungsstraße im Süden wird den Ortskern entlasten. Dadurch entsteht die Chance seiner Aufwertung für Fußgänger, Radfahrer und Einzelhandel, die sinnvoll genutzt werden könnte, wenn auch die durch das Neubaugebiet entstehenden zusätzlichen Bedarfe für Einzelhandel und Gastronomie hier ihren Platz finden könnten. In den bestehenden Planungen ist dies leider nicht der Fall“, zieht er eine durchaus kritische Zwischenbilanz der derzeitigen Überlegungen.

Zum anderen hält er fest: „Rondorf ist auch eine Schlafstadt. Als Folge des Stadtwachstums der letzten Jahrzehnte wuchsen die Wohngebiete um die stadtnahen Dörfer, weil die City aufgrund hoher Mieten und wenig verfügbaren Flächen zu wenig Angebote für das Wohnen bereitstellen konnte. So entstanden in Rondorf ausgedehnte Wohngebiete, die jedoch wegen ihrer Monostruktur wenig städtisches Leben zu bieten haben. Mit dem Neubaugebiet entsteht nun die Chance, eine funktionale Mischung in Rondorf einzuleiten, also auch Orte für Arbeit im Dienstleistungs- und Gewerbe-Sektor zu schaffen. Es gilt, eine Entwicklung anzustoßen die die Bürgerwerkstatt Rondorf mit der Überschrift „Von der Schlafstadt zum Veedel“ tituliert hat.“

Diese Chance sieht Stefan Schmitz bislang vertan, „obwohl bei den kommunalen Stadtplanern die Botschaft angekommen sein müsste, dass ein funktional und sozial gemischtes Stadtviertel für die Stadt der Zukunft steht. Im Falle Rondorf Nordwest gibt der Investor Amelis den Ton an, wenn es darum geht, die Nutzungen in der Bauleitplanung festzulegen. Hier zieht das Argument einer „bedarfsgerechten Planung“, mit anderen Worten, nur das zählt, was der Markt im Augenblick verlangt. Das Ziel einer Transformation des Stadtteils Rondorf in ein „lebendiges Veedel“ bleibt damit auf der Strecke.“

Einmal in Fahrt, gibt er auch dies noch zu Protokoll: „Auch hinsichtlich der Verteilung der durch das Neubaugebiet neu hinzukommenden kommerziellen Nutzungen in Erdgeschosslage verpasst die aktuelle Planung eine sinnvolle Integration in das bestehende Rondorf. Die neuen Flächen für Gastronomie und Einzelhandel sowie einen Vollversorger werden nicht an den Ortskern Rondorfer Hauptstraße angeschlossen, sondern im Neubaugebiet jenseits der Stadtbahntrasse angesiedelt. Hinzu kommt eine Abschottung des Neubaugebietes hinsichtlich der befahrbaren Straßenverbindungen, was den isolierten Zustand des dort entstehenden Quartiersplatzes weiter verstärkt.“ Und dann folgt der Appell: „Das Neubauprojekt eröffnet ein großes Potential zur Aufwertung des bestehenden Stadtteils, das jedoch von den derzeitigen Planungsträgern nicht genutzt wird. Die aktuelle Planung entspricht in keinerlei Hinsicht den Kriterien einer modernen und nachhaltigen Stadtentwicklung. Hier ist dringend ein Umschwung notwendig.“

Früh hat Stefan Schmitz mit vielen Mitstreitern seine Ideen in die Bürgerwerkstatt der Dorfgemeinschaft eingebracht. Und ist umso mehr irritiert, dass die von den Experten dort entwickelten Konzepte für das Großbauprojekt insgesamt zu wenig Beachtung finden. Deshalb mahnt er auch: „Wenn dies ein urbanes Vorzeigeprojet werden soll, darf der zeitliche Druck eines Baubeginns nicht dazu führen, dass mangels Dialog mit den Bürgern vor Ort vorschnell Fakten geschaffen werden, die irreversible Fehlentwicklungen nach sich ziehen können.“ Deshalb lautet seine konkrete Forderung: „Bei Vorhaben der Größenordnung wie in Rondorf muss es Gestaltungswettbewerbe geben, so dass eine unabhängige Jury die besten Ideen auswählen kann.“

Ja, für den erfahrenen Stadtplaner war schon die Entstehung des Großbauprojektes fehlerhaft: „Es war falsch, dass am Anfang keine öffentliche Ausschreibung für den Kauf des Grundstücks erfolgte, sondern das ganze Baugebiet direkt an ein Unternehmen verkauft wurde. Der städtebauliche Entwurf wurde nicht wie üblich über ein Wettbewerbsverfahren ermittelt, sondern über den damaligen Baudezernenten willkürlich an ein Planungsbüro vergeben.“ Eine Kritik, mit der er nicht alleinsteht. Und schon gar nicht mit der weiteren Feststellung: „Leider gibt die vorliegende Planung baurechtlich fast nur „Allgemeines Wohngebiet“ vor, das dem Ziel der Schaffung eines lebendigen Veedels nicht gerecht wird.“ Schon von jeher lautet die grundsätzliche Überzeugung des 65jährigen: „Wir brauchen eine polyzentrische Stadtentwicklung, bei der die Stärkung der Stadtteile als autonome Städte in der Stadt im Mittelpunkt steht.“

Stefan Schmitz ist ein Mann, der weiß, wovon er spricht. Nach erfolgreicher Mitarbeit in Architekturbüros u.a. in Paris und Florenz gründete er 1990 sein eigenes Büro als Architekt und Stadtplaner in Köln. Bereits am Anfang seiner aktiven Berufslaufbahn wurde er neben Gottfried Böhm mit dem Rheinischen Kulturpreis und dem Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für junge Künstlerinnen und Künstler ausgezeichnet. Es folgten zahlreiche Wettbewerbserfolge. Mitbegründet hat er das Architekturforum Rheinland e.V. (AFR). Nach seinem ehrenamtlichen Engagement in Köln als Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten (BDA) und Vorsitzender des Gestaltungsbeirats der Stadt Köln wurde er 2008 zum Wirtschaftsbotschafter der Stadt Köln ernannt.

Und was ist sein Hauptantrieb für seine Leidenschaft? „Die Herausforderung besteht bei jedem Projekt darin: Es braucht einen Spürsinn, um Architektur zu entwerfen. Es braucht einen tragenden Gedanken am Anfang. Nur dann entsteht ein Ganzes, eine Architektur, die einzigartig ist.“ Seine Überzeugung lautet: „Architektur ist schön, wenn alles stimmt und im Einklang steht.“ Dieser Satz ist so etwas wie das Leitmotto für das umfangreiche Schaffen des engagierten Rondorfer. 

Und nach dieser Devise hat er bisher über dreihundert Architektur- und Städtebauprojekte im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit mit seinem Büro entworfen, wenn auch nur zum kleineren Teil gebaut. Auch Köln hat er mit zahlreichen Projekten inspiriert. So den Wiener Platz mit der Galerie Wiener Platz in Köln-Mülheim oder die Neugestaltung Severinstraße. Doch die Welt des Stefan Schmitz ist groß. Mitten in der Mongolei entwickelt er seit 2012 sein bisher größtes Projekt „Maidar City“: In der Nähe der völlig überlasteten mongolischen Hauptstadt Ulan Bator will er eine neue Vorzeigestadt für 300.000 Menschen schaffen. Inzwischen ist die Planung so weit, dass die Investorensuche beginnen konnte. 

Die Idealstadt folgt strengsten ökologischen Standards. Hierfür wurde er 2016 mit „Platin“, dem höchsten Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen  ausgezeichnet. „Mir geht es um die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen durch Einsatz erneuerbarer Energien und optimale Wirtschaftlichkeit über die gesamte Lebensdauer des Gebauten hinweg“, betont er im SÜDBLICK-Gespräch. Seine Vision für „Maidar City“ geht jedoch weit über die ökologische Nachhaltigkeit hinaus. Deshalb soll die Stadt der Zukunft nicht aus einem Zentrum bestehen, sondern aus vielen gleichberechtigten Stadtteilen, die sowohl Arbeitsplätze als auch Wohnraum, Kulturangebote und öffentliche Dienstleistungen bieten. So sollen lebenswerte Viertel für alle entstehen und keine Luxus-Gebiete nur für Wohlhabende. „Nachhaltig ist nur das, was sozial und funktional gemischt ist“, sagt Stefan Schmitz dazu.

Es ist nicht das erste und einzige Projekt des Kölners in Fernost. Deshalb wurde er 2009 zum Sprecher der Initiative EcoCity+ für nachhaltige Stadtentwicklung in China und 2010 zum Gastprofessor in Xuzhou (China) berufen. 2018 folgte die Ernennung zum Honorarkonsul der Mongolei (NRW) und die Berufung in den Beirat der Deutsch-Mongolischen Gesellschaft. 

Auch wenn der Kölner mit seiner Vision vom ökologischen Städtebau rund um den Globus unterwegs ist, ist er doch fest in seiner Wahlheimat Köln verwurzelt. 23 Jahre wohnt er in Rondorf. Und kämpft unverdrossen weiter für eine engere Einbindung der Bürger in städtebauliche Planungsprozesse. In seinem Buch zur „Zukunft der Stadt“, an dem er momentan noch intensiv arbeitet, umreißt er seine Vision klar: „Wieviel einfacher wäre es, wenn die natürliche Expertise der Bürger vor Ort von vornherein in geregelter Form in den Planungs- und Entscheidungsprozess mit eingebracht werden könnte. Es gilt, dieses Potential zu nutzen, um auf schnellstem Weg einen allseits befriedeten Interessensausgleich zu erreichen und unnötige Auseinandersetzungen zu vermeiden.“ Rondorf Nordwest liefert ihm dafür viel konkretes Anschauungsmaterial. So lautet denn das Credo von Stefan Schmitz: „Wer das durchaus willkommene Neubaugebiet nicht als introvertierten, nur in sich funktionierenden Körper begreifen will, muss es eng mit dem bestehenden Stadtgefüge so verknüpfen, dass Rondorf als Ganzes gewinnt und bestehende Defizite mit Hilfe der neuen Entwicklung beseitigt werden können. Es gilt, die bestehenden Potentiale des Ortskerns und die der Neubebauung so zusammen zu führen, dass Synergieeffekte entstehen, die den Ortskern und damit den Stadtteil Rondorf als Ganzes aufwerten.“ 

Ob dies gelingt? Die Frage bleibt offen. Aber wem wirklich an einem lebenswerten Veedel liegt, der darf schon jetzt gespannt sein auf das Buch des Stararchitekten aus Rondorf.

Einer von uns: Schiedsmann Werner Müller

Ach, wie schön wäre es doch, wenn alle Menschen in Frieden miteinander leben könnten! Doch das ist im Alltag nicht immer einfach. Hier ein unbedachtes böses Wort, das rasch zur Beleidigung eskaliert. Da ein Hausfriedensbruch, eine Sachbeschädigung. Aber zum Glück gibt es Werner Müller, den immer auf Ausgleich bedachten Schiedsmann aus Rondorf. Wie er aus aufgebrachten Streithähnen wieder freundlich grüßende Nachbarn macht, hat er dem SÜDBLICK verraten. 

Alles an ihm ist irgendwie beruhigend: Mit langsamer, aber fester Stimme beschwichtigt Werner Müller sein Gegenüber, der eben noch aufgeregt lautstark und heftig seinem Ärger Luft gemacht hat. Und sei es nur, weil ihn die Steckdosen in der Wohnung nebenan stören. Nicht selten geht es in solchen Fällen in Müllers guter Stube recht emotional zu, so manches hat sich da im Laufe der Zeit offenkundig bei Frau X oder Herrn Y aufgestaut. In Extremsituationen kann es sogar vorkommen, dass die eine Streitpartei die andere während der Verhandlung körperlich so massiv attackiert, dass der Schiedsmann dazwischen gehen muss und alle beide hinauswirft.

Doch Werner Müller ist im Allgemeinen äußerst geduldig. Still hört er sich alles an. Dann macht er eine Pause. Schaut mit sanftem Lächeln über den schmalen Brillenrand zur „Konfliktpartei“ auf der anderen Seite des Tisches. Und sagt erst einmal nichts zu dem hitzigen Vortrag. Er macht sich stattdessen ein paar Notizen. Dann kommt der „Kontrahent“ zu Wort. Wieder die gleiche Prozedur. Aber vielleicht ist das Temperament jetzt schon wieder etwas herunter gekühlt. Denn Werner Müller setzt alles daran, eine Atmosphäre betonter Sachlichkeit zu schaffen. „Wichtig ist, dass jede Partei erstmal in Ruhe ihre Sichtweise darlegen kann und nicht unterbrochen wird“, erzählt er. Manchmal dauern die Gespräche lange oder sehr lange. Meistens jedoch ca. eine Stunde. Die Verhandlungen dauern länger, so bis zu zwei Stunden. Sofern der umtriebige Besucher, der erst nach acht Wochen Zeit zu einem klärenden Gespräch in seiner Sache findet, nicht schon wieder nach zwei oder drei Minuten einfach aufsteht und davon geht. Sein Problem scheint offenbar doch nicht so wichtig zu sein.

Seit mehr als vier Jahren ist der heute 68jährige ehrenamtlicher Schiedsmann für den Kölner Bezirk 21, der nicht nur Rondorf, sondern auch Bayenthal, Marienburg, Raderberg, Raderthal und Zollstock umfasst. Und da gibt es wohl einiges zu tun: Rund 120 Streitfälle haben ihm bisher Polizei, Gerichte zugewiesen oder sie sind in Eigeninitiative gekommen, weil sie hoffen, dass der kräftige weißhaarige Mann die Streithähne zu einer Verständigung bewegen kann. So wie zwei enge Verwandte, die seit Jahrzehnten jeder eine Doppelhaushälfte bewohnen, aber wegen Unstimmigkeiten über die gemeinsame Gartengrenze partout kein Wort miteinander sprechen. Da sind die Ärgernisse vorprogrammiert. 

Was vor allem bringt Menschen, oftmals Nachbarn, so auf die Palme, dass sie aneinandergeraten? Da muss selbst der immer freundliche, gelassene Herr Müller ein wenig lächeln: „Garten, Garten, Garten – Tiere, Beleidigungen, Lärm und alles was man sich vorstellen kann“, zählt er auf. Die Zahl der Akten, die sich im Laufe der Zeit gestapelt haben, ist beachtlich. „Manche schleppen dicke Ordner mit Fotos und anderem scheinbaren Beweismaterial an“, hat der Schiedsmann gelernt, der auch in der Seniorenvertretung Rodenkirchen aktiv ist.

Natürlich darf er keine Details verraten, Diskretion ist in diesem ehrenamtlichen Job als Friedensstifter die Vertrauensgrundlage schlechthin. Aber er lässt im SÜDBLICK-Gespräch zumindest ahnen, wer da so alles durch seine schmucke Tür zu ihm kommt: Es sind mehr Männer als Frauen, eher Ältere als Junge, die da bisweilen mitunter heftig „ihr gutes Recht“ einfordern. Und das bisweilen auch anschaulich demonstrieren. Da ist zum Beispiel jene Dame, die dem braven Schiedsmann aus Rondorf die Spuren eines Hundebisses unbedingt an ihrem Gesäß zeigen musste. Leider aber war trotz des Sichtkontakts nichts weiter zu sehen. Ein sehr hintergründiger Fall.

Oftmals ist der ehemalige Bilanzbuchhalter, der auch schon als Koch im Kurhaus auf der schönen Bühlerhöhe im Schwarzwald gearbeitet hat, erstaunt, dass ein und derselbe Fall plötzlich so zwei völlig unterschiedliche Geschichten zu Tage bringt. Dann ist vor allem der gesunde Menschenverstand gefragt. Mit leiser Stimme versucht Werner Müller zu vermitteln. Nur vorsichtig schaltet er sich ein. Etwa mit der Frage: „Ist es nicht besser für Sie, wenn wir versuchen, eine Einigung zu finden? Oder möchten Sie wirklich dauerhaft in Streit und Unfrieden leben?“ „Schlichten statt Richten“, ist sein Leitmotiv, denn er ist ja kein Richter. Sondern eher ein Moderator, der sich bemüht, die beiden konträren Seiten behutsam miteinander ins Gespräch zu bringen.

Was also muss jemand vor allem mitbringen, der sich auf diese heikle Aufgabe als Schiedsmann einlässt? „Er sollte sehr gelassen, konsequent und voller Fantasie sein“, zieht der Rondorfer Bilanz seiner langjährigen Erfahrungen. Und ist ein bisschen stolz: In etwa der Hälfte der „streitigen Angelegenheiten“ ist es ihm gelungen, eine Lösung hinzukriegen – ohne den Weg zum Gericht.

Weil er nach seiner beruflichen Tätigkeit noch eine sinnvolle Beschäftigung ausüben wollte, hat sich der freundliche Herr bei der Stadt Köln für das Schiedsamt beworben, ganz genau beim Amt für Recht, Vergabe und Versicherungen. Dort führte er zunächst ein Gespräch mit dem zuständigen Mitarbeiter sowie einer erfahrenen Schiedsperson aus Köln. Ihnen gefiel die souveräne, ruhige Art des Jungrentners. Als Schiedsperson kann sich hier übrigens jeder bewerben, der mindestens 30 Jahre alt ist, aber noch nicht siebzig. Müller bekam eine mehrtägige Einweisung und wurde sodann für fünf Jahre von der Bezirksvertretung Rodenkirchen in das Ehrenamt gewählt. Seine Mission lautet seitdem: Zwei Streitparteien an einen Tisch bringen, die Positionen geduldig austauschen, mit freundlichen diplomatischen Ratschlägen eine Einigung anstreben, so dass am Ende alle möglichst wieder mit einem versöhnlichen Händedruck auseinandergehen können. Denn das ist Werner Müller wichtig. „Gut ist es, wenn sich beide gegenseitig zum Schluss entschuldigen und damit auch für sich einen sehr persönlichen Schlussstrich unter die zunächst erbitterte Angelegenheit ziehen und wieder ihren inneren Frieden finden!“.

Der ganz praktische Vorteil: Bürger kommen so oftmals unbürokratisch und schnell zu ihrem Recht durch einen Vergleich. Das spart Kosten und entlastet die Gerichte. Das Verfahren beim Schiedsamt wird durch einen Antrag, der Name und Anschrift der Parteien sowie den Gegenstand der Causa darstellt, eingeleitet. Bei Streitigkeiten mit eher geringem Streitwert und bestimmten Nachbarschaftskonflikten müssen die Prozessparteien sogar im Regelfalle zuerst einen Schiedsmann aufsuchen, bevor es zum aufwändigen juristischen Fall kommt. Der Schiedsmann setzt den Termin fest, zu dem beide Parteien erscheinen müssen, sonst droht sogar ein Ordnungsgeld.

Werner Müller ist aber kein Richter und spricht also kein Urteil. Vielmehr protokolliert er das Wesentliche, schreibt in kurzer Form auf, was die jeweilige Partei umtreibt. „Das ist mir wichtig, damit nicht alles schwammig bleibt“, beschreibt er seine Vorgehensweise. Als Vermittler zwischen den Fronten ist er sorgsam bemüht, sich während der Gespräche zurückzuhalten und sich keinesfalls von einer Seite beeinflussen zu lassen. 

Ist der Einigungswille erzielt, formuliert er im Erfolgsfalle schriftlich eine Vereinbarung. Akzeptieren die Streithähne mit ihrer Unterschrift das einvernehmliche Ergebnis, wird das Ganze noch mit einem Dienstsiegel bekräftigt. So viel Ordnung muss sein. Dafür ist das Dokument dann auch 30 Jahre gültig. Allzu teuer ist das Verfahren für die Beteiligten nicht: Für einen Vergleich sind 25 Euro fällig, dazu kommen Auslagen etwa für Porto. Ein Anwalt wäre für ein solches Honorar kaum zu bekommen.

Verhandelt wird bei Werner Müller zuhause. Neben seiner Haustür im Merlinweg weist schon ein Schild mit NRW-Wappen auf seine wichtige Aufgabe hin: Schiedsamt. Wird ein Schlichtungsantrag eingereicht, muss der Antragsteller zunächst einen Vorschuss von 50 Euro leisten. Wenige Wochen später geht es dann los. Und sollte der verbindliche Herr Müller einmal nicht erfolgreich sein, besteht immer noch der teurere Rechtsweg.

Bleibt zum Schluss eine Frage an den Schlichter von nebenan: Nimmt die Konflikthäufigkeit in unserer Gesellschaft eher zu? Da zieht der Mann aus Rondorf eine positive Bilanz und meint: „Eher nicht. Auch die größere Stressbelastung durch die Corona-Pandemie mit all ihren Begleiterscheinungen hat nicht zu einer Erhöhung des Streitpotenzials geführt.“ Na, das sind immerhin gute Aussichten für ein friedliches Neues Jahr.

Die Magie des Merlinwegs: Andreas Kesenheimer spürt sie jeden Tag

Von Longerich übers Eigelsteinviertel und Raderthal nach Rondorf – sicherlich, es gibt Leute, die an (noch) spektakuläreren Orten gewohnt haben als Andreas Kesenheimer. Aber ein Blick auf den Stadtplan verrät: Geradliniger von Nord nach Süd geht es kaum. Der Merlinweg in Rondorf ist nun seit über 20 Jahren die Heimat und der feste Anker im Leben des IT-Beraters, besonders in Zeiten, in denen er beruflich permanent auf Reisen war. Hier spürt er einen Zauber, den es nur dort gibt.

Als Familie sind wir mit drei Kindern 1999 im Wendekreis des Merlinwegs eingezogen. Nahezu alle in der Nachbarschaft waren in derselben Lebenssituation, das schafft Nähe und lässt schnell Freunde finden. Für die Familie hat der Merlinweg eine optimale Lage: Zwei Kinderspielplätze und ein Bolzplatz in wenigen Gehminuten zu erreichen. Perfekt, um die Kinder „zum Lüften“ raus zu schicken. Als Sackgasse gibt es keinen Durchgangsverkehr; mit dem Hund über den Acker oder durch die Grünflächen, um den Forstbotanischen Garten, einmal um den Kalscheurer Weiher und zurück – alles ohne Aufwand und Auto zu schaffen.

Der Merlinweg gehört zu den letzten beiden Bauabschnitten des Römerhofs in Rondorf, gebaut in der Zeit von 1997 bis 2001. Die Bebauung besteht aus ca. 130 Einfamilienhäusern als Reihen- oder Doppelhäuser mit rund 300 Einwohnern und zusätzlich etwa 140 Personen in der Flüchtlingsunterkunft, sicherlich keine der kleinen Straßen in Rondorf – doch eine mit einem ganz eigenen Spirit. Eigentlich gehört die Namensgebung des Merlinweg in die Serie der Raubvögel, allerdings lässt die namentliche Nähe zum legendären Zauberer viel Raum für Fantasie und Spekulationen. Wer weiß …? 

Nahezu vollständig von Grün- und Gartenflächen umgeben mit nur einer Ein- und Ausfahrt fast schon ein wenig abgeschieden vom restlichen Rondorf ist hier Platz und Atmosphäre für das Außergewöhnliche. Die Straße, geformt wie der Buchstabe „A“ hat eine besondere Nummerierung der Hausnummern (ungerade bis 177, gerade bis 78), die schon manchen Besucher, aber auch Post- oder Paketboten zur Verzweiflung getrieben hat; da wundert es fast schon, dass es keine Hausnummer „9¾“ gibt.

Viele engagierte und auf ihre Art besondere Leute finden sich im Merlinweg zusammen; unter anderem haben hier diverse Künstler und Kreative ihre Heimat gefunden. Zum Beispiel Harald Meisenheimer mit seiner Glaskunst, Grafiker und Maler Lutz Kasper mit eigenen Ausstellungen z.B. im Atelier Link, unser lokaler „Dorffotograf“ Uwe Volk. Über die legendären Straßenfeste findet sich hier außerdem die Wiege der Band „Merlin‘s Way“.

Mittlerweile bin ich der einzige von „Merlin‘s Way“, der auch noch im Merlinweg wohnt. Mit dem Erweitern des musikalischen Engagements über die „Church-Rocker“, „Mit Hätz un Stimm“ und manchmal sogar mit Solo-Auftritten unterwegs, hat sich auch der Bekannten- und Freundeskreis weit über den Merlinweg ausgedehnt. So ist über Haus und Hof der Familie, die Dorfgemeinschaft und viele Kontakte über die Hundespaziergänge, Rondorf für mich zu einem wunderbaren Zuhause geworden.

Über viele Jahre gehörte das Merlinweg-Straßenfest zum festen Bestandteil des nachbarschaftlichen Miteinanders und hat sicherlich seinen positiven Beitrag zur guten Nachbarschaft geleistet. Es zeigt sich aber, – wie in dieser Serie auch schon an anderer Stelle sehr treffend beschrieben – dass im Laufe der Zeit die Kontakte und Kommunikation selektiver werden, der Fokus und die Wahrnehmung sich immer weiter auf den eigenen Bereich beschränkt. Dennoch: Das einstige und selbstverständliche Mit- und Füreinander – das gibt es noch: Als meine Frau Beate durch einen Unfall eine Zeitlang gehbehindert war, haben wir viel Unterstützung in der Freund- und Nachbarschaft erfahren.

Leider ist vor allem in der letzten Zeit mit häufigem Südwind die Autobahn deutlich zu hören – hoffentlich schafft es Frau Roß-Belkner, die vor der Kommunalwahl 2020 als Wahlversprechen gegebene Zusage umzusetzen, den Lärmschutzwall der A-555 bis zur Autobahnbrücke in Giesdorf zu erweitern; das würde für den gesamten östlichen Teil von Rondorf einiges an Geräuschkulisse abmildern. In ihrer aktuellen Agenda ist davon leider allerdings nichts mehr zu lesen…

Wie auch immer… Die Magie des Merlinwegs ist etwas ganz Besonderes, und ich wohne sehr gerne hier.

Fotos: (c) Uwe Volk